Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Beatenberg, 21. Juni.

Fünf Jahre sind heute seit dem Tod Bertha von Suttners vergangen. Zum letzten Mal in diesen Tagebuchaufzeichnungen gedenke ich am Jahrestag ihres Heimgangs der großen deutschen Mahnerin. Der Krieg, den sie kommen gesehen, den sie in seiner Schrecklichkeit und in der Schwere seiner Folgen erkannt, für dessen Vermeidung sie ein Vierteljahrhundert gekämpft, er erlischt. Er stirbt wie die Völker, die ihn führten, ihn ertragen mussten. Noch immer ist aber Bertha von Suttners Asche nicht beigesetzt. Nun, glaube ich, ist die Zeit gekommen, es zu tun. Nun sollen die durch den Krieg erleuchteten Völker nach Gotha wandeln und die im Leben Verkannte und Besudelte wie eine Nationalheilige beerdigen. Nun ist es Zeit, der Bekämpferin des Kriegs Denkmäler zu errichten, Straßen und Plätze, die früher Feldherrnnamen trugen, nach ihr zu benennen, sie als Symbol und Banner der neuen heranwachsenden Menschheit voranzutragen.

Heute an ihrem fünften Todestag werden wohl die Vertreter des deutschen Volkes den bittern Entschluss ihrer Zustimmung zu dem Versailler Gewaltdiktat fassen.

Auch eine Totenfeier für dich, Bertha von Suttner!

Wie schön war doch die Welt trotz all ihrer Mängel und Unzuträglichkeiten, als du sie heute vor fünf Jahren verlassen. Wie schön wäre sie noch, wenn man auf dich gehört hätte.

Als wir deinen Sarg aus deinem Wiener Heim hinaustrugen, folgten ihm ein Dutzend Menschen. Zwanzig Millionen Menschen sind dir als Opfer des Kriegs in das Grab gefolgt. Es werden dir noch viele folgen, denn der Krieg wütet weiter, mordet weiter, schändet weiter trotz des feierlichen Hokuspokus’ von Versailles.

Hell aber strahlt dein Bild über all dieses Elend und kündet der unseligen Menschheit ferne Hoffnungen.