Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 6. Dezember.

Selbst Harden ist dieser Ansicht, ln der «Zukunft» vom 4. Dezember schreibt er: «Wenn Friede geworden ist, wird eine der wichtigsten Aufgaben sein, die Zahl der ,Kriegsinteressenten’ zu mindern oder zu tilgen». Bravo! Überhaupt kann man bei Harden jetzt seine Wunder erleben. Vom «Wehrbeitrag» von 1913 sprechend fügt er in Klammern hinzu: «Ohne den vielleicht heute nicht Krieg wäre!» Ei! Ei! — Und dass die Kriegslasten des Reiches im März «in die siebzigste Milliarde steigen werden». Ist das derselbe Harden noch, der einst ausrief «Wozu haben wir denn dieses Heer?», und der während der Balkankrisis in seinen Wiener Vorträgen warnte: «Lassen Sie sich ja nicht auf eine Konferenz locken!». — Wäre es nicht doch etwas vernünftiger (und billiger!) gewesen, den Hader Europas auf einer Konferenz auszugleichen, statt auf den Riesenschlachtfeldern des Westens, Ostens und Südens? —

Was will übrigens Naumann sagen, wenn er («Hilfe» Nr. 48) in einem Artikel «Die Kunst, Frieden zu schliessen» schreibt:

«Auch darf man nicht übersehen, dass selbst ein magerer Friede, wie am Ende des siebenjährigen Kriegs der Hubertusburger Friede für alle Beteiligten war, einmal zur Notwendigkeit werden kann, ein Friede der Müdigkeit. Das, was Friedrich II. von Preussen damals mit nach Hause brachte, war geringer, als was seinen militärischen Wundertaten entsprochen hätte, und doch wird ihn kein besonnener Historiker tadeln, dass er seinen Namen unter eine Abmachung setzte, die ihn und seinen Staat nach heldenmütiger Verteidigung für die Zukunft gesund erhielt. Er konnte nicht wissen, ob bei weiter fortgesetztem Kampf die Zeit für ihn arbeiten würde oder nicht».

Er fügt weiter hinzu:

«Das alles führen wir nicht in dem Sinn aus, als ob im gegenwärtigen Zeitpunkt der Zustand von Hubertusburg vorhanden wäre (was falsch sein würde, zu behaupten) sondern nur als ganz allgemeine geschichtliche Erinnerung daran, dass grosse Männer der Vergangenheit ein gewisses inneres Gefühl dafür gehabt haben, dass man den Frieden möglichst dann machen muss, wenn man noch gut bei Kraft und Atem ist. Es ist nicht nötig, und vor allem nicht möglich, alle Weltgeschichtswünsche auf einmal durchzudrücken».

Was soll dieser letzte Satz? Will er besagen, dass die Menschheit den Wahnsinn noch einmal erdulden wird, um eine Weltgeschichte zu drechseln, wie sie sich verschiedene Leute ausmalen? — Ich glaube, die solches erhoffen, täuschen sich. Es ist aber frivol, es auszudrücken!