Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

8. September 1914.

Reichstagsabgeordneter Dr. Ludwig Frank, der Führer der deutschen Sozialdemokratie, der sich — obwohl schon vierzig Jahre alt — bei Ausbruch des Krieges freiwillig zur Armee gemeldet hatte, ist am ersten Tage, den er in der Front zubrachte — bei Lunéville durch einen Kopfschuss gefallen.

Seltsame Tragik! Frank war der Urheber der deutsch-französischen Parlamentarier-Zusammenkünfte, die im Mai 1913 in Bern, und im Mai 1914 in Basel stattfanden. Um seine Urheberschaft dokumentarisch festzulegen, schrieb er mir Ende Mai 1913 einen Brief, in dem er die Geschichte dieser Parlamentarier - Zusammenkünfte darlegte. Darnach gab er die Anregung dazu in einer am 13. März 1913 stattgehabten sozialdemokratischen Versammlung. Der Bericht der «Volksstimme» darüber, den mir F. eingesandt hatte, ist abgedruckt in der «Friedens-Warte» 1913, Seite 231. In der Juninummer der «Friedens-Warte» 1914 berichtete mir Frank über die zweite deutsch-französische Parlamentarier-Versammlung, die am 30. Mai d. J. in Basel stattfand. Er dachte wohl an jenem Tage kaum daran, dass er nicht ganz zwei Monate später gegen Frankreich im Felde stehen, dass drei Monate später eine französische Kugel seinem Leben ein Ende machen werde. Welch fürchterliche Ironie des Schicksals!

Noch eine andere Bedeutung hat dieser Tod des Sozialistenführers. Er ist die blutige Besiegelung des künftigen Verhältnisses der Sozialdemokratie zum Staate. Vorbei mit dem Vorwurf des Umsturzes, vorbei der Bann der Vaterlandslosigkeit! — Die Sozialdemokratie, die das Blut ihrer Führer und Anhänger zum Opfer brachte, ist staatserhaltend wie jede andere Partei des Reiches.