Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 29. November.

Auf einige Widersprüche möchte ich die unentwegten Apostel der sittlichen Grösse, Heiligkeit und Regenerationskraft des Krieges doch hinweisen. Wenn der Krieg wirklich eine solche Wohltat für das Volk ist, warum hat denn der Kaiser in seinen Depeschen an den Zaren (29. Juli) von dem «Unglück» gesprochen, «das wir (der Kaiser und der Zar) beide zu vermeiden wünschen», und in der Depesche vom 30. Juli von der «ganzen Schwere der Entscheidung » gesprochen, die auf des Zaren Schultern liege.

Warum erklärt die deutsche Regierung, dass das Ziel dieses Krieges nur die volle Garantie für einen lang dauernden ungestörten Frieden sein könne.

Wenn der Krieg solch eine Wohltat für das Volk ist wie die Festredner, Prediger und Artikelschreiber jetzt glaubhaft machen wollen, so widerspricht dies etwas der offiziellen Auffassung, die von einem «Unglück» spricht. Es widerspricht auch der Sehnsucht nach einem langdauernden Frieden. Denn wenn der Krieg diese Wohltat wäre, müssten wir froh sein, diesen so bald als möglich wieder führen zu können.