Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 2. April.

Heute tritt in Washington der außerordentliche Kongress zusammen, dessen Entscheidung wohl kaum mehr bezweifelt werden kann. Amerika wird in den Krieg eintreten. In den Krieg gegen Deutschland. Die Bedeutung dieses Vorgangs wird einem in ihrer fürchterlichen Schwere erst dann ganz klar, wenn man sich bemüht, das Denken von jener Panzerung zu befreien, mit dem es die Überfülle grauenvoller Ereignisse seit 1914 umgeben hat. Deutschland und die Vereinigten Staaten im Krieg!

Wahrlich als Erleichterung erscheint es mir, dass Österreich-Ungarn in seiner Politik Amerika gegenüber eigene Bahnen geht. Man scheint in Wien die ungeheure Wichtigkeit erkannt zu haben, den Bruch mit Amerika und auch mit China zu vermeiden. Österreich-Ungarn, das nur mit Russland, Italien und Serbien gekämpft hat, wird nach dem Krieg durch die Hypothek des Hasses der ganzen Welt nicht so belastet sein wie das deutsche Volk. In der Tat scheint sich die österr.-ungarische Marine an dem Unterseebootkrieg fast gar nicht zu beteiligen. Etwas zu bedeuten hat die plötzliche Abreise des amerikanischen Botschafters Penfield in Wien nach Washington zur Konferenz mit Lansing, unter ausdrücklicher offizieller Betonung in der Wiener Presse, dass diese Abreise keineswegs einen Abbruch der Beziehungen bedeute! Es lässt eher einen wichtigen, auf Unterhandlungen hinzielenden Schritt vermuten. Die erhöhte Aktivität der Monarchie ist erfreulich. Ich habe immer betont, dass Besprechungen über die Möglichkeit der Kriegsbeendigung zwischen Österreich-Ungarn und der Entente geführt, auf der Linie des geringsten Widerstands sich bewegen würden.