Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 16. Juni.

Die Menschenrechnung über die Seeschlacht wird jetzt vorgelegt. Nach einer Berliner amtlichen Mitteilung hatten die Engländer an Tote 342 Offiziere und 6104 an Mannschaft, die Deutschen 172 Offiziere und 2414 Tote. Danach haben bei diesem ergebnislosen Kampf 8860 Menschen das Leben eingebüsst. Die Einwohnerzahl einer kleinen Stadt. Haben Vesuv und Aetna jemals solches Unheil angerichtet wie hier der Mensch in seinem Wahn? — H. P. schreibt mir: Zwei Autos fahren aufeinander los, beide sind beschädigt worden, werden heimgeschleppt, fühlen sich als «Sieger». — So ist es. —

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Prof. Förster veröffentlicht im «Berliner Tageblatt» (14. Juni) einen tapfern Abwehrartikel über die gegen ihn gerichteten Angriffe: «Mein Konflikt an der Universität München». Den schwersten Vorwurf glaubten seine Gegner daraus konstruieren zu können, dass er den von ihnen befehdeten Artikel in einem «ausländischen Blatt» veröffentlichte. Potz Donner! Die «Friedens-Warte» ist kein ausländisches Blatt! Sie ist ein deutsches Blatt, das durch die herrschenden Verhältnisse gezwungen, um nicht ganz zu verstummen, ins Ausland gehen musste. Ich habe mich wahrlich mit Händen und Füssen dagegen gewehrt. Monatelang habe ich geduldig die Eingriffe der Berliner Zensur ertragen. Als ich aber sah, dass man mir alles strich, auch das, was ich als bereits in andern deutschen Zeitungen Gedrucktes einreichte, merkte ich, worauf man hinaus wollte, und verlegte das Blatt nach Zürich. Erst im April 1915. Nach achtmonatigem Kampf also. Ich tats ungern. Wollte nicht einsehen, warum die pazifistischen Fachorgane in Frankreich und England weiter erscheinen dürfen und warum sie gerade in Deutschland unterdrückt werden müssten. Ich glaube nicht, dass das klug war. (Gerade gestern schrieb mir eine hochstehende deutsche Persönlichkeit: «Der Reichskanzler sollte einmal die ,Friedens-Warte’ lesen und dafür sorgen, dass sie nach Deutschland ungehindert hineinkommt, statt sie zu verbieten».) Nun, der Reichskanzler hat sie ja nicht verboten, sondern das Generalkommando. — Aber es ist Bosheit zu behaupten, die «Friedens-Warte» wäre ein ausländisches Blatt. Unter 54 Originalartikeln des Jahrgangs 1915 sind 44 von deutschen Verfassern und wahrhaftig darunter nicht die schlechtesten Namen.