Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 10. Juni.

Mir fiel eine Rede in die Hand, die Churchill als See-Lord am 18. März 1912 im englischen Parlament gehalten hat. Er sprach von dem Flottenwettbewerb zwischen Deutschland und England:

«Die Zeit ist gekommen», so führte er aus, «wo beide Nationen ohne Verstellung und Verstimmung die Bedingungen verstehen sollten, unter denen sich der Wettbewerb zur See in den nächsten Jahren gestalten wird. Wir berechnen im Frieden unseren Schiffbau relativ nach Prozentsätzen. Dagegen werden Flotten im Seekrieg nicht durch Vergleich, sondern durch Substraktion berechnet. Wir müssen erwarten, dass in einem Kampf zwischen guten und ebenbürtigen Flotten auf beiden Seiten ungeheurer Schaden angerichtet wird. Das ist sehr vorteilhaft für die stärkere Seemacht. Es wird sich stets für uns lohnen, Schiff gegen Schift jeder Klasse zu verlieren. Der Prozess des Ausmerzens würde uns, wenn auch auf einem fürchterlichen Weg, zu einem sichern Sieg führen, zu einem Zustand nicht relativer, sondern absoluter Überlegenheit. Mit der gegenseitigen Vernichtung der neuesten Schiffe steigen die älteren Schiffe schnell im Wert. Wir besitzen mehr Dreadnoughts als irgend zwei andere Mächte zusammen. Aber wenn alle Dreadnoughts der Welt morgen versenkt wären, so würde unsere Überlegenheit zur Seeweit grösser sein als heute».

Nach dieser Rede wird man sich erklären können, warum man in England die Seeschlacht vom Skagerrak nicht als eine Niederlage ansieht.

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Die «Leipziger Neuesten Nachrichten» schliessen ihren Artikel über die Eroberung der Panzerfeste Vaux (8. Juni) mit den Worten:

«Wenn die Franzosen in zäher Entschlossenheit von dem Glauben beseelt sind: Verdun darf nicht fallen, so hallt ihnen aus tausend und abertausend Kehlen wetterharter und sturmerprobter deutscher Krieger der Ruf entgegen: Verdun muss unser werden».

Das lässt so richtig erkennen, wie gewisse Kreise immer ungeschminkter zeigen, wie sie den Krieg als Sport auffassen.