Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

7. Oktober 1914.

Zeitungsausschnitte aus der New-Yorker «Evening-Post» und eine Nummer des «Independent» vom 21. September zeigen, dass man drüben trotz der deutschen Richtigstellung die Lage noch immer so auffasst, als wäre Deutschland ernstlich gefährdet. (Siehe auch unterm 4. Oktober). jene Blätter fordern einen «Frieden ohne Rache», der Deutschland nicht zertrümmert. Für das zerstörte Löwen möge man sich durch Wegnahme der Sixtinischen Madonna schadlos halten! Allgemein tritt dort die Ansicht zutage, dass «die Würfel gegen Deutschland gefallen seien!» Der Rückmarsch des rechten Flügels der Deutschen wird eben von den Verbündeten als «grosser Sieg» ausgegeben. Ob es ein solcher war, wird erst später festgestellt werden. Bisher sind Entscheidungen nicht gefallen, und der Augenschein beweist, dass Deutschland in Belgien und Frankreich weit vorgedrungen ist und die Russen zurückgeworfen hat. Anlass zu einer Auffassung, wie sie die amerikanischen Blätter zeigen, besteht nicht.

Die Antwort Wilsons auf Kaiser Wilhelms Protest gegen die Völkerrechtsverletzungen der Verbündeten, wird in Bruchstücken veröffentlicht, die von überängstlicher Neutralität strotzen. Hinweis auf spätere unparteiische Untersuchung durch das Haager Tribunal. Der Hinweis auf dieses Tribunal in dieser schrecklichen Zeit der Erschütterungen ist jedenfalls eine Tat, für die man Wilson danken muss.

Der für den 4. Oktober in den Vereinigten Staaten angeordnete Bettag für den Frieden scheint in der ganzen Union — nach den heute vorliegenden kurzen Telegrammen — zu wuchtigen Demonstrationen für die Herstellung des europäischen Friedens geführt zu haben. In einer dieser Versammlungen kündigt Bryan neue Schritte Wilsons bei den kriegführenden Mächten an.