Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 19. März.

In Paris wird seit Wilsons Rückkehr mit Volldampf gearbeitet. Man legt sozusagen die letzte Hand an das «Friedenswerk». Man wird einig über die Bedingungen, die den Besiegten aufzuerlegen sind. Man ist unter dem Vorsitz Wilsons sich einig geworden über die Abrüstung Deutschlands. Es wird ihm ein ständiges Heer von 100 000 Mann einschließlich der Offiziere erlaubt. Die Kriegsbetriebe, Kriegsakademien, die Festungen werden abgeschafft, die Flotte auf eine geringe Zahl von Einheiten beschränkt. Das wäre nun die Abrüstung; nur nicht die, die wir Pazifisten erstrebten. Die Zwangsabrüstung eines einzelnen Staats, während die anderen gerüstet bleiben, ist ein Unding.

Wie soll Deutschland mit seinen ziebzig Millionen bei einer Wehrmacht von 100 000 Mann beharren, während sich Polen anschickt, ein stehendes Heer von 300 000, Frankreich ein solches von 500 000 zu behalten? Wir wollen ein Staatensystem, das die Rüstungen aller überflüssig macht, das vor allem die allgemeine Wehrpflicht überall abschafft; die zwangsweise Entwaffnung eines Millionenvolkes wollen wir nicht, weil dies dadurch gezwungen wird, auf Befreiung und Rache zu sinnen und damit zum Zentrum jener Unruhe und Bedrohung werden muss, die wir gerade abschaffen wollen. Deutschland wird diese Erniedrigung nur solange ertragen, als es sich nicht helfen kann. Aber man kann sicher sein, dass es den Augenblick vorbereiten wird, um sich von diesen Bestimmungen frei zu machen. So wird dieser Friedensschluss jene militärischen Kreise, die die Revolution überwunden hat, neu beleben und ihren völligen Untergang verhindern. Es ist Blindheit, die in Paris wirkt, die mit der unabwendbaren Sicherheit das nächste Blutbad vorbereitet, vorausgesetzt, dass die Völker der Entente nicht revidieren werden, was ihre von Angstneurose erfassten Militärs und Kriegsdiplomaten jetzt bestimmen. Es bleibt die Hoffnung, dass das französische Volk, das die anderen Völker die Last der allgemeinen Dienstpflicht nicht werden ertragen wollen, wenn die Deutschen davon so gut wie befreit sein werden. Wir müssen überhaupt alles erhoffen von der Revision des Friedensvertrags durch die von den Kriegsgesetzen befreiten Völker. Der Friedensvertrag selbst, der aus der Küche der Siegestrunkenen und Angsterfüllten kommt, wird uns keine befriedigende Lösung des Weltjammers bringen.