Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Wien, 11. Januar.

Keine Eintragungen in diesen erschütternden Tagen, wo in Berlin und anderen Städten des Reichs das Fäulnisprodukt des Militarismus, der Bolschewismus, das deutsche Volk zerrüttet. Langdauernde Straßenkämpfe in Berlin. Besetzung der Zeitungsgebäude durch die Spartakisten, Einstellung des Verkehrs. Gewalt gegen Gewalt. Sicherlich: auch die Bolschewisten mögen ihre Ideale haben, in den Köpfen ihrer Denker wenigstens, mögen glauben, die Menschheit zum Guten zu führen. Ganz so wie die Generale, die Armeephantasten, die Wilhelme, die «Hei, wenn es nur einmal ernst wäre»-Schwätzer. Aber sie verkennen, dass die Menschheit die Verwirklichung ihrer Methoden nicht verträgt. Diese Idealisten in der Theorie, wenn sie zur praktischen Tat gelangen, werden die Verbrecher an der Menschheit. Der Kronprinz, Tirpitz, Ludendorff, unterscheiden sich darin gar nicht von Liebknecht, Radek, der Luxemburg. Sie sind das Ergebnis einer gleichen Ursache. Militarismus in auf- und absteigender Linie. Auch Liebknecht gehört nach Amerongen.

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Seit gestern in Wien.

Nach vier Jahren wieder.