Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 24. Mai.

Unter dem Eindruck des Adlerprozesses, den ich nun nach dem ausführlichen Bericht der Wiener «Arbeiterzeitung» gelesen habe. Die Ausführlichkeit dieses Berichts ist ebenfalls erfreulich. Es sieht wirklich so aus, als ob Umkehr und Einkehr sich geltend machen würden in Österreich. Den Milderungsumstand, den ich für Adler hier hervorgehoben habe, den Krieg, hat, wie ich jetzt sehe, auch sein Verteidiger hervorgehoben. Dieser sagte am Schluss seines Plädoyers:

«Vergessen Sie nicht das, was wir Kriegspsychose zu nennen pflegen in der Wirkung auf den Angeklagten. In dem Entsetzlichen, was seit Jahren auf uns wirkt, sind die klügsten Menschen dieser Psychose erlegen. Berge von Leichen haben wir gesehen und sollten dabei gesittete Menschen bleiben! Unsere Kultur wurde verwüstet, und wir fühlen in uns manchesmal ein Grauen und sind entsetzt und erschüttert. Und nun stellen Sie sich die Wirkung auf einen Pazifisten vor, der geträumt hat von dem Weg zur Menschheit und nun sieht, wohin der Weg führt.»

In der Tat, der Krieg ist ein mildernder Umstand. Die Richter haben ihn nicht berücksichtigen dürfen. Sie haben Adler zum Tod verurteilt. Die heutige Staatsgewalt in Österreich hat die Macht und die Pflicht, die Irreparabilität dieses Urteils hinwegzuräumen.