Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 2. Februar.

So ist denn seit gestern der verschärfte Unterseebootkrieg erklärt. Jedes Schiff, das sich den englischen, französischen, italienischen Küsten nähert, einerlei ob feindlich oder neutral, wird ohne Warnung torpediert und mit Mann und Maus versenkt. Einige Ausnahmen für die Zufuhr von Schiffen aus Amerika, nach dem französischen Hafen von Cette und für Griechenland sind gemacht worden. Deutschland und Österreich-Ungarn haben den Krieg bis aufs Äußerste erklärt. Die Alldeutschen haben über Bethmann gesiegt, und der Kanzler ist im Amt geblieben.

Im Hauptausschuss des Reichstags hielt der Kanzler gestern eine Rede, in der er seinen jetzigen Entschluss zu rechtfertigen sucht, und wobei er die überraschende Mitteilung machte, dass er niemals grundsätzlicher Gegner dieser Waffe war. Man glaubte, es sei anders gewesen. Man hielt den Kanzler für den vernünftigen Damm gegen alldeutsche Unvernunft und Hazadierlust. Man hat sich geirrt. Diejenigen, die das deutsche Volk in diesen Krieg hineingezerrt haben, sie bringen es jetzt zu dieser Kriegführung, die keine Rücksichten kennt, auch die nicht auf das eigene Interesse. Die Alldeutschen haben auf der ganzen Linie gesiegt, und der Mann, den wir als den mächtigen Gegner der reaktionär-nationalistischen Masse begrüßten, ist der Anführer ihres Willens. Der pazifistische Kanzler ist ein Alldeutscher geworden.

Die Rede vom 31. Januar schließt sich in Ton und Inhalt der Dürftigkeit und Phrasenhaftigkeit der gestern überreichten Note an.

Was heisst es, wenn der Kanzler sagt, dass die Antwort der Gegner auf das deutsche Friedensangebot

«klipp und klar dahin gelautet» habe, «dass sie Verhandlungen mit uns über den Frieden ablehnen, dass sie nur von einem Frieden mit uns etwas wissen wollen, den sie diktieren.»

Das enthält die Note nicht. Was heisst der Satz:

«Damit ist vor aller Welt die Schuldfrage wegen der Fortsetzung des Kriegs entschieden.»

Alle Welt ist nicht dieser Meinung. Die Schuld für die Fortsetzung des Kriegs lässt sich nicht so einseitig feststellen. Die Schuld für die Fortsetzung ist eng zusammenhängend mit der Schuld an der Urheberschaft. Im besonderen liegt die Fortsetzung darin begründet, dass die Entente sich nicht für besiegt hält, in der Tat auch nicht besiegt ist, während das deutsche Friedensangebot mit der Geste des Siegers erfolgte. Vielleicht wäre die Entente auf den deutschen Vorschlag eingegangen, wenn das Anerbieten vom 12. Dezember im Sinne Wilsons von einem Frieden ohne Sieg gesprochen hätte.

Nun ist der Krieg in jenes Stadium getreten, das ich immer befürchtet habe, in das des Verzweiflungskampfs auf beiden Seiten. Die Gefahr ist gross, dass nun auch Amerika in den Weltbrand mit hineinbezogen wird, dass europäische Neutrale keinen andern Ausweg sehen könnten, als sich auf die Seite der Entente zu schlagen.

Mit fieberhafter Spannung sieht man den ersten Nachrichten von drüben entgegen. Was wird Wilson sagen, was wird er tun?