Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 9. Dezember.

Die Ansprache des Papstes vom 6. d.M. tritt für die Beschleunigung des Friedens ein. Noch mehr: «Für einen dauerhaften und nicht nur für einen, nur einem Teil der Kriegführenden Nutzen bringenden Frieden». Das ist die Forderung des Pazifismus, die sich der Nachfolger Christi hier zu eigen macht. Nun sollen sie uns wieder kommen, jene Kriegsanbeter, die der Welt durchaus weismachen wollen, dass der Krieg ein «Element der göttlichen Weltordnung» sei. Das Oberhaupt der katholischen Weltkirche, das für das Wesen der göttlichen Weltordnung gewiss massgebender ist als der höchste General, denkt darüber anders.

Und Wilson stattete am 7. Dezember die alljährliche Präsidenten-Botschaft an den Kongress ab. Daraus entnehme ich folgende Sätze:

«Die Eroberung und Unterwerfung fremder Länder liegt nicht in unserm Plan und entspricht nicht unsern Prinzipien. Aber gerade weil wir die unbelästigte Fortentwicklung und die ungestörte Herrschaft unserer Grundsätze von Recht und Freiheit fordern, müssen wir es übel aufnehmen, wenn von irgend einer Seite ein Angriff gegen uns unternommen wird, wenn wir selbst nicht angreifen.

Wir bestehen auf der Sicherheit in der Verfolgung unserer selbstgewählten Linien nationaler Entwicklung. Wir tun mehr als das. Wir verlangen dies auch für andere. Wir beschränken unsere Begeisterung für individuelle Freiheit und freie nationale Entwicklung nicht auf Ereignisse, Bewegungen und Angelegenheiten, die uns allein betreffen. Wir empfinden es, wenn es irgend ein Volk gibt, das an der Beschreitung der gleichen Bahnen der Unabhängigkeit und des Rechtes behindert wird. Von Anbeginn an machten wir gemeinsame Sache mit allen Anhängern der Freiheit diesseits des Meeres und hielten es für richtig, dass unsere Nachbarn ebenso frei wären von aller fremdländischen Herrschaft.

Wir haben Amerika als ein Beispiel für unabhängige Völker und politisch freigesinnte Männer hingestellt. Aus diesen Gedanken heraus wuchs alle unsere Politik. Wir betrachten den Krieg nur als ein Mittel, um die Rechte der Völker gegen Angriffe zu behaupten, und wir sind ebenso leidenschaftlich auf der Hut gegen Bedrückung oder Diktatur innerhalb unserer eigenen Nation als gegen einen Angriff von aussen. Wir wollen keine stehende Armee unterhalten, ausgenommen für den in Kriegszeiten wie in Friedenszeiten notwendigen Gebrauch, und wir werden immer darauf sehen, dass unsere militärische Friedensrüstung nicht grösser ist als jetzt und als sie zu den Zwecken nötig ist in Zeiten, wo keine Feinde gegen uns vorgehen».

Amerika, du hast es besser!

Maximilian Harden hat am 6. Dezember in Berlin einen Vortrag gehalten, in dem er u.a. Folgendes sagte:

«Gegenwärtig sei die vollständige Besiegung eines der deutschen Hauptfeinde, ganz zu schweigen von der Gesamtheit, noch nicht geglückt: Deutschland habe zwar das in Anbetracht der Tatsache, dass eine Volksmasse von 120 Millionen es gegen eine Völkermasse von 800 Millionen erkämpft habe, Übergewaltige erreicht, dass der Krieg fast vollständig auf fremdem Boden ausgefochten wurde. So viel das sei, sei es doch nicht der Sieg».

Das ist aber gerade das Furchtbare, dass diese ungeheuren Opfer noch nicht den Sieg gebracht haben. Wieviel Opfer werden dann noch nötig sein? — Hat man das bedacht? — Wenn es nun nicht gelingt, bald einen Kompromissfrieden zu schliessen, wenn der Krieg wirklich bis zum Ende, d.h. bis zum vollen Sieg ausgefochten werden soll, dann stehen wir jetzt noch vor der schrecklichsten Phase des Krieges, gegen die die bisherige ein Kinderspiel war. In dieser neuen Phase wird Deutschland wirklich um seine Existenz kämpfen müssen, was zu Beginn des Krieges nicht der Fall war. Dass dann der Elan zur verzehrenden Flamme sich steigern wird, steigern muss, ist klar. Aber diese Flamme wird Europa vernichten. Der Sieger — wer er auch sei — wird auf einem Trümmerhaufen triumphieren.—