Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 18. März.

Die Nachrichten aus Russland gewähren noch kein klares Bild über die Verhältnisse, vor allem nicht über die Stabilität der Revolution. Der Zar hat tatsächlich abgedankt. Der Wortlaut des Manifests lässt erkennen, dass er es nicht freiwillig tat. Sein Bruder Michael hat abgelehnt, die Regentschaft zu übernehmen. Wie sich die Truppen an der Front zu dem Regierungswechsel verhalten, ist unbekannt. Da die Telegrafenagentur in den Händen der Revolutionäre ist, kann man über den Widerstand der Anhänger des alten Regimes nichts erfahren.

Besteht ein Kampf zwischen Zarentum und Revolution, so ist dies eine Gefahr für die Entente. Ein durch innern Krieg erschüttertes Reich ist ein minderwertiger Bundesgenosse. Gelingt es gar dem Zarismus, wieder die Oberhand zu bekommen, so bleibt ihm kein anderer Weg, als der Separatfriede mit den Zentralmächten. Ist es auch ganz ausgeschlossen, dass die deutschen Heere zur Wiederherstellung der Ordnung erbeten und gewährt werden könnten? Das wäre allerdings eine tragische Ironie, wenn das deutsche Volk, das zum Kampf wider das Zarentum für den Krieg begeistert wurde, nunmehr zur Rettung und Wiederherstellung des Zartentums bluten sollte.

Der preußische Minister v. Schorlemer bezeichnete im preussischen Abgeordnetenhaus die Revolution in Petersburg als «ein freudiges Anzeichen für die Beendigung des Kriegs».