Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 13. November.

Eine Pause von zehn Tagen. Bewirkt durch Unwohlsein und Mißstimmung. Dazwischen hat sich viel ereignet. Nach langem Zögern kam in Berlin die Kombination Hertling, Payer, Friedheim zum Durchbruch. Helfferich verschwand in der Versenkung. Wenn das Ganze das Werk konsequenter Arbeit Kühlmanns ist, der sich so den Militärs und den Generalstäblern gegenüber durchsetzte, so ist das immerhin ein beachtenswerter Vorgang. Die Regierung ist augenblicklich wirklich parlamentarisch, demokratisch, mit starkem pazifistischen Einschlag durchsetzt. Aber man muss immer sagen «augenblicklich». Es fehlt die Sicherheit für die Zukunft. Wenn ein Blatt, ich glaube, es war die «Frankfurter Zeitung» — von einer «Niederlage des Generalstabs» schreibt, ein anderes von der «neuen Ära» spricht, von jenem Parlamentarismus, von dem es kein Zurück mehr gibt, so irren sich beide. Der ganze parlamentarischdemokratische Glanz ist von Gnaden der militärisch-höfischen Clique, er zerstiebt morgen, wenn es oben so gefällt.

Es fehlt das Grundsätzliche. Natürlich lässt sich eine demokratische Tradition nicht in wenigen Wochen oder Monaten schaffen, natürlich ist, dass alles allmählich sich entwickeln muss, und dass solche Sonn-und Feiertagsdemokratie nun einmal zu den Übergangs-Stadien zur echten, zur festverankerten Demokratie gehört. Wir nützen der Sache, wenn wir darauf aufmerksam machen, dass es sich vorerst nur um diesen Übergang handelt, und dass den Frieden allein nur eine fest und gegen alle Willkür geschützte Sicherstellung der parlamentarischen-demokratischen Einrichtungen im Reich und in Preußen bringen kann.