Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 21. Mai.

Die Schlacht bei Verdun dauert heute drei Monate. Wenn etwas imstande ist, den Widersinn des Kriegs in der Gegenwart anschaulich zu machen, so ist es dieses Ringen um einen Steinhaufen, der ehemals eine Stadt war. Was wird erreicht sein ausser der militärischen Ruhmestat, wenn dieser Platz wirklich erobert sein wird? Die Opfer, die er gekostet haben wird, dürfte man nie erfahren. Sie müssen unerhört und können unmöglich des Erfolgs wert sein, selbst wenn er errungen werden sollte. Diese Schlacht um Verdun sollte allein als Friedensbeschleunigungs - Tatsache dienen. Und nun holt seit einer Woche Österreich zur Offensive gegen Italien aus. Auch hier haben die Spuren Verduns nicht geschreckt. Der Krieg Österreichs gegen Italien war der gegebene Verteidigungskrieg. ln drei Tagen wird er ein Jahr alt. Dass in diesem Jahr die Angreifer nichts erreicht haben, wäre der schönste Sieg für den Angegriffenen. Wozu nun das Wagnis und das Opfer einer Offensive? Wird der Krieg schon um des Kriegs willen geführt? Vergisst man ganz, dass der Krieg nur ein Mittel ist, und zwar ein höchst untaugliches?