Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 8. März.

«Freilich stehen wir Deutschen erst in den Anfängen und müssen unendlich vieles lernen, wenn wir der uns gestellten Weltaufgabe einmal genügen wollen. Wir müssen lernen, übertriebene Bescheidenheit abzulegen. Wir haben das Zeug zum Höhenflug. Warum bewegen wir uns denn immer noch mit Vorliebe in den bequemen Niederungen? Wir brauchen mehr Selbststolz, mehr politischen Sinn, mehr Nationalbewusstsein.»

So heisst es in einem Aufsatz der «Süddeutschen Zeitung», der sich «Englische und deutsche Auffassung der Weltherrschaft» betitelt und von einem S. Schiller aus Nürnberg herrührt.

In einer eben in München neubegründeten Zeitschrift «Die Wirklichkeit», als deren Herausgeber ein Karl Graf von Bothmer zeichnet, befindet sich ein, anscheinend vom Herausgeber verfasster Leitaufsatz über «die Unmoral der Moralisten». Darin wird der «Nachweis» erbracht, dass der Pazifismus den Höhepunkt der Unsittlichkeit bedeutet. Allen Ernstes heisst es zum Schluss jenes Aufsatzes: «Wir beharren darauf: der pazifistischinternationalistische Gedanke ist ein Ausfluss menschlicher und völkischer Unmoral».

Äusserungen dieser Art will ich hier nur als Zeichen fetsthalten. Was soll man dazu sagen? Wenn im Gesellschaftsverkehr Menschen sich in dieser Art laut äussern, sehen sich die Gesunden verständnisinnig an, und über ihre Gesichtszüge huscht ein Lächeln.