Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

10. Januar 1918.

Die Friedenshoffnung leuchtet auf. Es könnte jetzt Frieden werden, wenn in Deutschland der Kampf zwischen Militärs und Staatsmannschaft im Sinne Bismarcks zu Gunsten der Letzteren erledigt werden würde. Der Kampf scheint dort hart um hart zu gehen. Ludendorff, gestützt von den verzweifelten, um ihre Existenz ringenden Alldeutschen, ringt mit Kühlmann, auf dessen Seite alle Vernünftigen stehen.

Was ich am 30. Dezember hier ersehnt, scheint Midi zu erfüllen. Ich rief dort — man lese nach — nach einer Geste, die Kühlmann stärkt und Ludendorff schwächt. Nach einer Geste, die «von Wilson käme». Und die Geste kam. Die Entente hat die Bedeutung der Stunde voll erfasst. Zuerst Lloyd Georges bedeutungsvolle Rede vom 5. Januar an die Delegierten des englischen Arbeiter-Syndikats, aus deren Ton und Inhalt hervorgeht, dass in England die Friedenspartei erstarkt ist. Mit dem Jusqu’auboutismus ist dort radikal gebrochen worden. Das geht deutlich aus jener historisdien Rede Lloyd Georges hervor. Und wenn die deutsche Presse die Rede abweist, so hat sie entweder den Befehl dazu, oder sie erfasst ihre Bedeutung nicht. Die Rede ist kein Friedensdiktat, wie die deutschen Zeitungen annehmen, sondern ein Friedens angebot, also die Grundlage zu einer Diskussion. Diese Erkenntnis wird den Einsichtigen in dem gegenwärtigen Hexenkessel nicht entgehen.

Zu diesem ersten Vorstoß der Entente kommt nun heute Wilsons Friedensprogramm in vierzehn Punkten.

Um der dadurch noch übrig bleibenden Differenzen wegen nur einen Menschen noch zu töten wäre höchstes Verbrechen! Hier kann, hier muss verhandelt werden! Tut man es nicht, lässt man den Militärs ihren Willen, die mit ihrem neuesten Stickgas wähnen, die Erde durch Sieg über alle Völker überrumpeln zu können, so würde das die Vernichtung Europas, aber auch den Ruin der Zentralmächte bedeuten. Niemals mehr ist es nach den Erklärungen Lloyd Georges und Wilsons möglich, dem deutschen Volk weiszumachen, dass es um seine Existenz zu ringen habe. Niemals mehr!