Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 15. November.

Die Zeitungen bringen nachstehende Depesche:

«Berlin, 14. Nov. (Wolff. Amtlich). An der Sommefront wurde am 11. November von einem feindlichen Flieger hinter unsern Linien ein Kranz abgeworfen, dem eine Anschrift und ein Begleitschreiben beigefügt waren, das in der Übersetzung lautet: ,Das erstere zur Erinnerung an Hauptmann Bölcke, unserm gefallenen ritterlichen Gegner, vom königlich-englischen Fliegerkorps’. Das Anschreiben hatte folgenden Wortlaut: ,An die vor dieser Front tätigen Offiziere des deutschen Fliegerkorps: Wir hoffen, dass Sie diesen Kranz finden, bedauern jedoch, dass er so spät kommt, das Wetter hatte uns daran verhindert, ihn früher zu schicken. Wir trauern mit seinen Angehörigen und Freunden. Vor allem anerkennen wir seine Tapferkeit. Grüssen Sie bitte Hauptmann Efane, Leutnant Long, Le Norane Squadron. Gezeichnet: J. Seaman-Green, Leutnant.’ Das betreffende Armeekommando übermittelte den Eltern des Hauptmanns Bölcke den Kranz und die Schreiben». Diese Geste wird eine spätere Zeit kaum verstehen. Zum Glück finden sie schon heute viele Leute unverständlich. Solche Menschlichkeit ist nicht in Einklang zu bringen mit der furchtbaren Vernichtung des heutigen Kriegs. Entweder sind solche Gefühle erlogen, oder der Krieg ist eine Lüge. Wir hoffen Letzteres. Deshalb wird unsere Wut gegen diese Einrichtung nur noch stärker. Kann der Einzelne trotz der wahnsinnigen Fürchterlichkeit, zu der ihm der Krieg zwingt, doch noch Mensch bleiben, warum wendet man dann dieses so tief wurzelnde Menschentum nicht dazu an, das Unmenschlichste, den Krieg, zu beseitigen.

Im übrigen zeigt auch diese schöne Geste, wie sehr dieses angebliche «Element der göttlichen Weltordnung» zum Sport ausgeartet ist.