Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 23. Februar.

Eine am 22. Februar im ungarischen Parlament gehaltene Rede Tiszas wird in ausführlichem Auszug in die Welt telegraphiert. Die Rede ist eine Antwort auf eine Interpellation des Abgeordneten Hollo von der Karolyi-Partei, jener mutigen Pazifistengruppe des ungarischen Parlaments, die sich nicht scheut, das Kind beim rechten Namen zu nennen. Was Hollo gesagt hat, erfährt man nicht. Aber aus der Antwort Tisza’s geht dies zum Teil hervor. Schon allein aus dem Satz:

«Vor allem protestiere ich dagegen, dass der Herr Abgeordnete die Antezedenzien dieses Kriegs so darstellt, als ob dies nicht ein, von einem von bösen Angriffsabsichten erfüllten Feind, uns aufgezwungener Krieg wäre, sondern als ob ihn eine in der deutschen Politik eingetretene Wendung hervorgerufen hätte, die diesen Weltkrieg notwendig machte.»

Das ist sehr einleuchtend, dass Graf Tisza so spricht. Ein Narr, wer annehmen würde, er könnte je anders sprechen. Aber der Tag wird kommen, wo diese Darstellung der Sache doch nicht mehr geglaubt werden wird. Das kleine Häuflein derjenigen, die jetzt schon klar sehen über die «Antezedenzien» des Kriegs, wird durchhalten und wird die Welt erobern. Die Wahrheit lässt sich eine zeitlang verstecken, aber niemals für die Dauer aufhalten.