Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 7. Mai.

Bei der zweiten Lesung des Militär-Etats im deutschen Reichstag hielt Kriegsminister v. Stein am 4. Mai eine Rede, in der er (beim Etat für die Hauptkadettenanstalt) Folgendes sagte:

«Ich gebe mich nicht der Hoffnung hin, dass mit Beendigung dieses Kriegs ein ewiger Völkerfrieden eintreten wird. Solange wir Menschen bleiben mit allen unsern Schwächen, mit ollen dunklen Seiten, solange die Interessen Einzelner und Vieler gegeneinander laufen, wird es Krieg geben.»

Der Bericht bemerkt dazu: «Zustimmung».

Der preußische Kriegsminister hat aus diesem Krieg noch immer nicht gelernt, dass Krieg nicht mit Kampf verwechselt werden darf, und dass zwischen einem märchenhaften «ewigen Völkerfrieden» und dem stinkenden ewigen Krieg der Militärs noch ein Drittes vorhanden ist, das mit der Wirklichkeit übereinstimmt und überstaatliche Rechtsordnung heißt. Diese Rechtsordnung braucht gar nicht ewig zu sein, um uns von der Dauer des systematischen und periodisch wiederkehrenden Völkermords zu befreien, sie braucht nur zu sein, um uns vom Krieg zu befreien, wie die staatliche Rechtsordnung, trotz ihrer ständigen Störung durch Rechtsbrecher, uns den Landfrieden gibt anstelle der dauernden Anarchie und des früheren Stadiums eines ständigen Kriegs aller gegen alle.

Auch der Nachsatz des Kriegsministers gibt zu denken: «Zu einer Zeit, wo zwei große Völker, die bis dahin nicht daran gedacht haben, sich grosse Heeresmassen zu halten, solche geschaffen haben, beziehungsweise dabei sind, es zu tun, werden die Aussichten auf ewigen Frieden nicht gerade glänzend sein.» Auch hierzu bemerkt der Bericht ein «sehr richtig». Nein, diese Beweisführung ist sehr unrichtig! Diese beiden Völker haben sich große Heeresmassen geschaffen, um die Welt vom Krieg zu befreien, zur Abwehr der Anarchie, zur Herstellung der Weltordnung, zur Sicherheit aller Völker, auch jener, die noch in dem Irrwahn befangen sind, ihre Sicherheit allein und durch Waffen begründen zu können.