Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 23. Mai.

Wie man es sich vorstellt, und wie es doch kommt. In der Siedehitze der ersten Kriegsmonate konnte Prof. v. Liszt unter verständnisinnigem Beifall Vieler die Behauptung aufstellen, der Internationalismus sei überwunden, Nachbildung von Institutionen, die z.B. aus England kommen, seien unmöglich. «Mit aller Bestimmtheit kann man voraussagen, dass der Vorschlag (v. Liszt spricht von der Nachbildung irgend eines englischen Rechtsinstituts, das «einer zu empfehlen den Mut hätte») einen Sturm nationaler Entrüstung hervorrufen und von der Reichsregierung wie vom Reichstag mit aller Entschiedenheit abgelehnt werden würde». Das wurde Januar 1915 geschrieben. Seit 1. Mai 1916 hat der deutsche Bundesrat die Einführung der «deutschen» Sommerzeit angeordnet, die zuerst — vor zehn Jahren schon — im englischen Parlament als «Day light saving bill» angeregt und vorgeschlagen wurde. Ich bekämpfte die aus Gefühlsmomenten hervorgegangene Schwarzseherei Liszts und erinnerte an Goethes Ausspruch: «Selbst erfinden ist schön, doch glücklich von andern Gefundenes nennst Du das weniger Dein?» Und ich schrieb: «Niemals wird ein ,Sturm nationaler Entrüstung’ hervorgerufen werden, wenn irgendeiner die Nachahmung oder Anpassung einer nützlichen Einrichtung vorschlagen wird, die von den Engländern ausgegangen ist oder dort nützlich angewandt wird». — Wer hatte Recht? —