Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 12. Februar.

Noch sonderbarer als der Friedensschluss mit der Ukraine mutet das Ergebnis der Brest-Litowsker Verhandlungen mit den Maximalisten an. Es wird von dort gemeldet, dass die russische Delegation auf die formelle Unterzeichnung eines Friedensvertrags verzichtet, den Kriegszustand jedoch mit dem Vierbund für beendet erklärt und den Befehl zu einer völligen Demobilisierung aller Streitkräfte erteile.

Das ist die von Trotzky vor dem soviel dargelegte Formel: «Weder Krieg noch Frieden.»

Das dass kein Zustand ist, der irgendwie zu ertragen wäre, ist nur zu klar. Merkwürdig ist, dass über die näheren Vorgänge bei der Abgabe dieser Erklärung gar nichts bekanntgegeben wurde, dass man nicht weiß, wie sich die Vertreter der Zentralmächte und deren Regierungen dazu verhalten. Anscheinend sind sich diese darüber selbst nicht klar. In der Presse, namentlich in Wien, wird der Versuch gemacht, dem Volk einzureden, dass nun der Krieg im Osten überwunden ist. Das ist nicht wahr! In Wirklichkeit sind die Verhandlungen abgebrochen, und der Friede steht noch aus. Die Maximalisten scheinen ihre Hoffnungen auf den Tag gestellt zu haben, wo die Entente in Verhandlungen mit den Zentralmächten treten wird. In Deutschland und Österreich gibt man sich den größten Hoffnungen hin. Rumänien wurde eine Frist von vier Tagen gestellt, um in Friedensverhandlungen einzutreten. Des Sieges im Westen ist man dort sicher. Leute, die den maßgebenden Kreisen in Berlin nahestehen, erzählen, dass man dort nicht nur hofft, die Westfront zu durchbrechen, sondern diese zu zerstückeln und die Engländer ins. Meer zu treiben. Man sieht, die Ideen von 1914 lodern wieder auf. Und dabei rechnet man, mit diesen Ergebnissen zum Frieden zu gelangen.

Diese Hoffnungen sprechen auch aus der Rede, die Kaiser Wilhelm in Homburg gehalten hat. Er sprach vom Frieden, den die Deutschen der Welt bringen sollen, den «unser Herrgott will»; «aber vorher muss der Sieg der deutschen Waffen anerkannt werden», Daraus ersieht man, dass der Träger der Krone nicht auf dem Boden der Reichstagsresolution vom 19. Juli sieht.

Das alles sind die Präludien des großen Mordens, das, wenn ich mich nicht täusche, bereits einzustzen beginnt, die Hoffnung auf Frieden sinkt unter dem Nullpunkt. Wer klar sieht, muss fürchten, dass das Ringen noch Jahre dauern kann. Den Sieg der deutschen Waffen wird die Welt erst anerkennen, bis sie zertrümmert ist. Das kann noch lange dauern, und es ist weder ein schöner Ausblick auf diesen Sieg noch eine schöne Sendung, ihn so zu erzwingen. Er wird uns Ruinen bringen, aus denen neues Leben nicht mehr zu erstehen vermag.