Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 19. Juli.

Der Kampf der Annexionisten in Deutschland gegen den Reichskanzler bezeichnet das beginnende Todesringen der Imperialisten. Sie erkennen genau, dass sie vernichtet sind, wenn dieser Krieg, der von ihnen geschürt und veranstaltet wurde, ohne Eroberungen abgeschlossen werden sollte. Die Annexionsforderung bedeutet die Verlängerung des Kriegs, der nun das zweite Jahr vollendet; bedeutet noch weitere unerhörte Opfer und eine unendliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage und des Kulturbesitzes. Dieses dritte Jahr eines Kriegs bedeutet nach dieser Hinsicht viel mehr als etwa das erste. Aber was liegt jenen daran. Sie, die sich kein Gewissen daraus gemacht haben, den Krieg zu wollen, werden sich auch kein Gewissen daraus machen, ihn zu verlängern. Sie zu bekämpfen ist heute die grösste patriotische Pflicht. Die Mordsüchtigen müssen für immer aus der Politik verbannt werden. Die Blutschuld, die sie auf sich geladen, müsste es jeder besonnenen Regierung für immer unmöglich machen, mit ihnen zu regieren. Der Eroberungswahn ist durch diesen Krieg abgetan, das Expansions-Phantastentum hat seine Gefährlichkeit für Staat und Volk augenfällig erwiesen. Es ist Verbrechen, das nicht einzusehen. In des Fürsten Bülow Buch schliesst das Kapitel über die auswärtige Politik mit Kleists Worten: «In Staub mit allen Feinden Brandenburgs!» Sehr richtig! Aber nicht draussen stehen sie; sie sind drinnen zu suchen. Es sind die alldeutschen Volksverführer und ihre Freunde. Sie tragen die Blutschuld von 1914 und heute die der Verlängerung von 1916 auf 1917.