Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 6. Juni.

In den deutschen und englischen Zeitungen wie in den offiziellen Mitteilungen der deutschen und britischen Admiralität geht der Kampf um die Bedeutung der Seeschlacht am Skagerrak weiter. Englische Äusserungen bestreiten den Sieg. Sie geben die grösseren eigenen Verluste zu, aber die deutschen Streitkräfte konnten ihre Stellung nicht behaupten, sondern mussten sich in ihre Häfen zurückziehen. Von deutscher Seite wird gerade dies geschickte Zurückziehen nach erfolgter starker Schädigung des Gegners als ausschlaggebend für den Erfolg gepriesen. In jedem Fall vermochten die englischen Schiffe die deutschen nicht zu verfolgen und ihren Rückzug zu verhindern. Das bezeichnet unbedingt einen Vorteil der schwächeren und einen Nachteil der stärkeren Flotte. Im Militärstil nennt man das Sieg und Niederlage. Und wenn die Entscheidung nach dem Gewicht geht, dann sind die Engländer die geschlagenen. Es ist sicherlich ein deutscher Erfolg — ein Sieg ist es nicht. Zu einem Sieg gehören greifbare Errungenschaften. Wo sind diese? Auf die Beendigung des Kriegs und auf die künftige Gestaltung hat diese opferreiche Seeschlacht nicht mehr Einfluss wie eine gewonnene Schachpartie. Prinz X. schreibt mir heute darüber: «Im übrigen bin ich ganz Ihrer Ansicht, dass diese Seeschlacht trotz allem Heldenmut, der dabei bewiesen wurde, doch gar keine entscheidende Bedeutung hat. Aber in Deutschland will der Wahrheit nicht ins Gesicht sehen».

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Eine heutige Depesche aus Kopenhagen berichtet: Das Meer spült an der jütländischen Küste zahlreiche Leichen von Engländern und Deutschen an. — —

Der Kaiser hat von Wilhelmshaven aus an die Grossadmirale von Tirpitz und von Koester Danktelegramme abgesandt. Das Telegramm an Koester enthält die Worte: «Das Bewusstsein, eine solche Saat gesäet zu haben, muss Sie hoch beglücken». — — —