Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 25. Oktober.

Die Rede, die Grey am 23. Oktober in der Vereinigung der ausländischen Presse gehalten hat, spricht noch immer von der «Erlangung des Sieges» statt von einem Frieden durch Verständigung, sie hat daher keinen direkten Friedenswert. Aber, dass sie wiederum den pazifistischen Standpunkt für die Zukunft in den Vordergrund stellt, ist erfreulich. «Gerade weil wir heute durch furchtbare Erfahrungen wissen, welches die Ergebnisse des Kriegs sind, sind wir fest entschlossen, dass der Krieg nicht aufhören soll, solange nicht Gewissheit dafür geschaffen ist, dass die Völkergeschlechter künftig nicht wieder so furchtbaren Prüfungen ausgesetzt sein sollen.» Das ist unser Standpunkt, und ich bin überzeugt, — überzeugt auf Grund zahlreicher Tatsachen, die weit vor dem jetzigen Krieg liegen — dass es Grey, der englischen Regierung und dem englischen Volk mit diesem Zukunftswunsch für einen Dauerfrieden auf pazifistischer Grundlage heilig ernst ist. Und deshalb bedaure ich, dass in keiner offiziellen deutschen Rede ein ähnlicher Gedanke zum Ausdruck gebracht wird. Selbst wenn man in deutschen Regierungskreisen, diesen sich mehrenden Versicherungen der Ententestaatsmänner keinen Glauben beilegen will, so wäre es doch ein Gebot der Klugheit, die moralischen Erfolge, die bei dem Friedenshunger der Massen alle solche Versicherungen hervorbringen müssen, nicht allein der Gegenseite zukommen zu lassen.

Grey hat in seiner Rede der Idee der amerikanischen «Liga zur Erzwingung des Friedens» Beifall gezollt, für die sich drüben, jenseits aller Parteipolitik Taft, Roosevelt, Wilson und Hughes nebst einer grossen Anzahl noch anderer hervorragender Personen ausgesprochen haben. Wenn nun die ganze Entente und ganz Pan-Amerika dieser Liga, die eine Grundlage des künftigen Dauerfriedens bilden soll, zustimmen werden, nur die Zentralmächte nicht, dann wird man dort wieder, nach einer Handlung der Selbst-Auskreisung, über eine gehässige Einkreisung schreien. Und doch wäre die Zustimmung der Zentralmächte zu dieser Organisation die Grundlage für eine Beendigung des Kriegs und für eine glücklichere Zukunft.