Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

13. März (Zürich).

Die Rede des Staatssekretärs Helfferich in der Reichstagssitzung vom 10. liegt nun im Wortlaut vor. Er sagt darin u. a.: «Die wöchentlichen Ausgaben aller kriegführenden Grossmächte betragen etwa 1 1/2 Milliarden Mark». Anderthalb Milliarden Mark! Welche Kulturgüter könnte sich Europa mit diesen Summen leisten! (Sieh oben unterm 2. März). Dabei ist das bloss der Betrag für die Führung des Kriegs, nicht für die durch ihn bewirkten Zerstörungen und Versäumnisse! Die neugeforderten zehn Milliarden sind bloss bis zum Spätherbst gedacht. Und wenn der Krieg bis dahin nicht zu Ende ist? Und wenn das deutsche Volk mit der Deckung dieser Unsumme, von der der Staatssekretär sagt, dass noch nie eine Summe in solcher Höhe von einem Parlament gefordert wurde, etwas zurückhaltend ist? Wenn diese Summe durch Anleihen nicht aufgebracht werden kann? Wird man dann nicht auch auf finanziellem Gebiet die allgemeine Wehrpflicht, das heisst also, eine Zwangsabgabe einführen müssen, wie man es bei der Milliardenabgabe von 1913 bereits mit Erfolg getan hat? Der Staatssekretär fügte hinzu: «Wir sind aber auch ebenso stark durchdrungen von der Überzeugung, dass kein Opfer zu gross und keine Last zu schwer sein kann, wenn es sich um unser Sein und Nichtsein, wenn es sich um den Bestand und die Grösse unsres Vaterlandes handelt». Das soll gewiss zugegeben werden, aber die Frage wird später zu erörtern sein, ob es sich im Juli 1914 wirklich um Deutschlands Sein und Nichtsein gehandelt hat.

Es wird sich ja doch durch diesen Anschauungsunterricht die Meinung befestigen, dass ein Krieg im heutigen Europa ein Unding ist, dem vorbeugen zu wollen die wichtigste und vernünftigste patriotische Pflicht war.