Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 19. Juni.

Über die rasche Wirkung des U-Boot-Kriegs steigen jetzt auch den alldeutschen Verfechtern der Anwendung dieser Waffe Bedenken auf. Dass man im Januar schrieb, in drei Monaten würde England durch die unbeschränkte Anwendung der U-Bootwaffe «auf die Knie gezwungen» sein, hat man bereits im April bestritten. Als nun kürzlich der Abg. Heydebrand in Trebnitz eine Versammlung abhielt, sagte er u. a. folgendes:

«Als ich vor kurzem Gelegenheit hatte, mit einem Admiral zu sprechen, stellte ich ihm die Frage, ob er wirklich glaube, dass wir mit unserm U-Bootkrieg es machen werden. Da antwortete er mir: Wir hoffen und sind überzeugt, dass in längstens zwei Monaten der Zustand der Engländer so sein wird, dass England am Ende ist.» Dieses Gespräch, das im Juni stattgefunden haben dürfte, sieht also das durch den U-Bootkrieg zu erreichende Ende des Kriegs im August vor. Das wäre also schon nicht nach drei, sondern nach sieben Monaten. Diese Vorhersage findet jedoch Graf Reventlow in der «Deutschen Tageszeitung» sehr unvorsichtig. Er habe bereits vor Wochen betont, schreibt er,

«dass wir alle Voraussagungen, wann der Krieg zu Ende sein werde, wann diese oder jene Entscheidung auf diesem oder jenem Kriegsschauplatz zu Land oder zu Wasser eintreten werde, für uns zweckmäßig halten.»

Das klingt doch anders, als das zuversichtliche Jauchzen am 1. Februar, als dem Krieg die unheilvolle Wendung gegeben wurde durch die Untersee-Konzession an die alldeutschen Scharfmacher. Das Ende ist heute tatsächlich unbestimmt, und gerade wegen des U-Boot-Kriegs, der uns Amerika auf den Hals gejagt hat.

Beim Durchblättern der Ausschnitte aus deutschen Zeitungen fallen mir einige Äußerungen über Wilson auf, die ich hier festhalten will für jene späteren Zeiten, die klarer denken werden.

Georg Bernhard in der «Voss. Ztg.» (Morgen-Ausg.) 12. Juni:

«So wie sich uns diese Kundgebung (Wilson an Russland) jetzt darbietet, unterscheidet sie sich in der Form sehr wenig von den frühem Auslassungen des Präsidenten. Sie ist überladen mit dem ganzen Schwulst von Phrasen, den wir bei ihm bereits kennen. Diese Phrasen liegen uns alle so weltenfern. Es geht nun einmal dem deutschen Verstand nicht ein, dass man ehrlich in Verbrüderung der Menschheit schwärmen und gleichzeitig den grässlichsten Krieg, der je auf der Erde geführt worden ist, zu verlängern trachten kann.»

Die «Kölnische Ztg.» (Morgen-Ausgabe vom 12. Juni):

«Wilson ist zu feige, offen und ehrlich zu bekennen, dass er den Krieg nur deshalb begonnen habe, um das amerikanische Kriegsgeschäft, das bei der Niederlage des Zehnerverbands heillos in die Brüche gehen würde, zu retten. Die Interessen der amerikanischen Grossbanken, die Milliarden dem buntscheckigen Bund unsrer Feinde teils in klingender Münze, teils in Kriegsmaterial geliehen haben, verlangen den Triumph unsrer Feinde.»

Das arme deutsche Volk, das durch solche irrige Darstellungen von der Wahrheit ferngehalten wird!