Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 13. Oktober.

Bulgarien greift Serbien an. Ein Erlass des Kaisers von Österreich bestimmt neue Fahnen und Wappen für die Monarchie. Der Schriftsteller Friedrich Freksa veröffentlicht seine «Gedanken zum Krieg» in der «Frankfurter Zeitung» (vom 1. Okt.) und fordert darin, dass es fortan «unwürdig» empfunden werden muss, «wenn deutsche Diplomaten französisch gedruckte Visitenkarten besitzen und sich der französischen Sprache bedienen». Grosse Zeit! — Unwürdig? Warum? Bedient man sich in solchen Fällen der französischen Sprache aus Liebe oder Hochachtung zu ihr, oder als eines Mittels zum Zweck wie man die Strassenbahn, einen Füllfederhalter oder Hosenträger benützt? Dieser Untergedanke, die Benützung einer fremden Sprache schliesse eine Reverenz gegen das Volk in sich, das jene Sprache spricht, ist noch eine Nachwirkung aus den Zeiten, wo das Französische bei uns noch als Nachäffung für französische Sitten und aus Bewunderung für französische Kultur gesprochen wurde, wo derjenige schon als «vornehm» galt, der französisch parlierte. Heute ist das nicht mehr der Fall. Die fremde Sprache ist ein Bequemlichkeitsapparat wie tausend andere. Überlassen wir es den Russen, das Deutsche auszumerzen, ahmen wir sie aber in dieser Dummheit nicht nach.

Noch besser ist Herr Freksa, wenn er schreibt: «Ein jeder Einzelne sei Pionier im fremden Land und zwinge Menschen, die ihn dort bedienen, deutsch zu sprechen». Famos! Vielleicht empfiehlt es sich auch im fremden Land seine Briefe mit deutschen Reichspostmarken zu frankieren? — Man wird sie als unfrankiert behandeln; die Menschen aber, die durchaus deutsch bedient werden wollen, auch.

Und darum Räuber und Mörder! Darum der Krieg, damit man seinem Mitbürger solche Spässchen empfehlen, dass man ihm zumuten darf, auf Visitkarten und fremden Hausdienern gegenüber sich national auszuleben?! — Wenn uns in dieser wahnsinnigen Zeit das Lachen nicht vergangen wäre, man müsste losplatzen.