Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Spiez, 9. August.

Und der Käfig schließt sich immer mehr. Am 2. August — man erfuhr es erst gestern — hat nun auch China an Deutschland und Österreich-Ungarn den Krieg erklärt.1) Vor einigen Tagen auch Liberia. Vom militärischen Gesichtspunkt hat das natürlich nichts zu bedeuten, aber man weiß wie eng begrenzt dieser Gesichtspunkt ist.

Aber auch vom Gesichtspunkt der Friedenstechnik ist diese stete Vermehrung der mit uns im Kriegszustand sich befindlichen Gegner bedauerlich. Je mehr Feinde, um so mehr Teilnehmer an der Friedenskonferenz, um so mehr Ansprüche, um so schwieriger die Vereinbarungen.

Deutschlands Streben, durch Separatfriedensschlüsse die Zahl der Feinde zu vermindern, bleibt ohne Erfolg. Hingegen gelingt es der Entente dauernd, neue Feinde gegen Deutschland in den Krieg zu ziehen.

So beginnt das vierte Kriegsjahr!

Dem Berner Korrespondenten der «Kölnischen Zeitung» möchte ich bei dieser Gelegenheit eine Aufklärung geben. Für ihn ist es erwiesen, dass deutsche Demokraten in der Schweiz die Fälscher2)sind, während es aller Wahrscheinscheinlichkeit nach die Leistung eines der gegnerischen Presse- und Propagandabureaus sein dürfte. Im Zusammenhang mit einer Darlegung der Fälschung findet der Korrespondent es angebracht (Köln. Ztg. vom 5. Aug. 1917), meine und anderer pazifistisch gesinnter Persönlichkeiten Tätigkeit in der Schweiz zu kritisieren. So schreibt er:

«Wir wollen an dieser Stelle die Tätigkeit persönlich achtbarer Männer wie Prinz Hohenlohe, Prof. Foerster, Dr. Fried u. a. nur mit der Anmerkung streifen, dass dem Schreiber dieser Zeilen während zweijährigen Kriegsaufenthalts in der Schweiz nie auch nur eine einzig ähnlich gerichtete französische oder englische oder italienische Kritik heimischer Verhältnisse zu Gesicht gekommen ist, wie diese Herren sie sich in hundert Zuschriften an schweizerische Blätter durchwegs unberufener Weise gestatten, obwohl man sachlich doch gewiss nicht behaupten wird oder will, dass nur unsre Verhältnisse verbesserungsbedürftiger sind als die der genannten Länder.»

Gewiss. Die Franzosen, Engländer, Italiener üben hier weniger Kritik als die Deutschen und Österreicher. Sie Üben sie auch; und der Korrespondent der Kölnischen Zeitung füllt sein Amt schlecht aus, wenn er während seines zweijährigen Aufenthalts in der Schweiz davon nichts gemerkt hat. Aber wenn die Deutschen und Österreicher dies in großem Umfang tun, so liegt das daran, dass den Franzosen, Engländern, Italienern in ihrer Heimat das Maul nicht verbunden ist, dass sie in allen Tageszeitungen in einer großen Zahl ad hoc gegründeter pazifistischer und kriegsgegnerischer Zeitschriften in ihrer Heimat Kritik üben dürfen. Uns hat man einfach in die Schweiz hinausgedrängt. Hierzu kommt noch, dass die Schweiz ein Land mit vorwiegend deutschsprechender Bevölkerung und einer ausgedehnten auch nach Deutschland gelangenden deutschen Presse ist. Der Engländer könnte hier gar nicht in seiner Sprache schreiben, der Franzose und der Italiener haben nur ein verhältnismäßig geringes Echo in ihrer Sprache im Land. Öffnet der Kritik die Grenzen der Mittelmächte und wir werden unsre vaterländische Pflicht, «wie wir sie auffassen», in Berlin und Wien üben.