Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Wengen, 6. August.

Czernowitz ist wieder — zum dritten Mal während des Kriegs — von den Verbündeten genommen worden. Die Russen sind aus Galizien ganz, aus der Bukowina zum größten Teil vertrieben. In Berlin hat man Viktoria geschossen und geflaggt. Wieso in Berlin? — Siege machen aber gar keinen Eindruck mehr. Der kriegerische Spiritus ist verflogen. Jubel könnte nur noch der Friede hervorlocken. Dieses fortwährende Siegen im luftleeren Raum wirkt niederdrückend. Wir siegen in einem Käfig, dessen Stäbe immer stärker werden. Aus diesem Käfig kommen wir nur heraus, wenn wir uns häuten, wenn wir die Vorsintflutlichkeit unsrer innern Zustände und des politischen Denkens ablegen und mit der Zeit gehen. Dann wollen wir Viktoria schießen!