Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Axenstein, 3. August.

So allmählich bekommt man nun auch die Äusserungen der andern Länder zum Kriegsjubiläum zu Gesicht. Sie sind alle auf den gleichen Ton gestimmt. Militärbriefsteller, Schema 324. — Überall Sieg, überall Zuversicht auf den endgültigen Sieg, überall eigentümlich anmutende Rührung über die Hingebung und Selbstlosigkeit der Soldaten, die Ausdauer der guten Zivilbevölkerung und überall das pomphaft zur Schau getragene Selbstbewusstsein der erfüllenden und erfüllten Kulturmission. Die Worte aus der «Disputation» Heines, «es will mich schier bedünken» usw. sind niemals so passend gewesen wie hier.

In Deutschland muss es heftig kochen und brodeln. F., der nun doch die Erlaubnis zur Reise nach der Schweiz erhielt, schreibt mir gestern vom Bahnhof in Rorschach: «Soeben glücklich wieder bei den Eidgenossen angelangt». Sehr erfreut darüber, diesen prachtvollen Menschen, einen der Führer von morgen, wieder im Sprechbereich zu wissen. Er berichtet:

«In Deutschland völliges Chaos. Kampf Aller gegen Alle. Das Verschweigen, die Lüge rächt sich. Die Regierung wagt kein offenes Wort zu sprechen. Daher auch das den Tatsachen nicht entsprechende Grossgerede der Reventlows usw. Gewiss wird man von Seite der Entente nichts erreichen. Auch dort schwebt man immer noch in Illusionen. Der Friede ist weiter weg als je. Die Verhetzung ist zu gross. Turmbau zu Babel. Man findet keine Sprache mehr. Ich denke jetzt sehr pessimistisch, auch wenn ich von der neuen Jugend, gerade auch von der Front her, ausgezeichnete Eindrücke habe. Aber die herrschende Generation ist hoffnungslos, treibt ins Chaos.»