Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Thun, 3. September.

Der deutsch-amerikanische Konflikt scheint erledigt zu sein. Aus Washington wird gemeldet, dass Deutschland sich verpflichtet, nicht bloss Passagierdampfer ohne vorgängige Benachrichtigung nicht zu versenken, sondern es gewährleistet im Fall der Versenkung die Sicherheit des Lebens der Nichtkombattanten.

Also kein Krieg. Das ist ein Sieg der Vernunft, ein Sieg der dilatorischen Methode des Pazifismus. Was wäre aus dem Konflikt geworden, wenn die amerikanische Regierung nach der «Lusitania»-Versenkung ein kurzbefristetes Ultimatum gestellt hätte?! Noch in andern Beziehungen ist die glückliche Erledigung des Konflikts von Wert. Sie bedeutet eine Niederlage der Eisenfresser in Deutschland, was im Hinblick auf die Friedensbedingungen von gutem Einfluss sein wird, und sie gibt der amerikanischen Regierung die Möglichkeit, als Friedensvermittler zu wirken.

Das auswärtige Amt in London veröffentlicht eine Erklärung betreffend die englisch-deutschen Verhandlungen vom Jahre 1912. Die Ereignisse von damals werden immer klarer. Die Verständigungsversuche drehten sich lediglich um die Führung künftiger Kriege. Der Rüstungswettbewerb sollte bleiben. So kann es nie zu einer Verständigung zwischen den Völkern kommen. Diese muss damit anfangen, den Krieg auszuschliessen.

Sind das nun jene Vorgänge gewesen, von denen der Reichskanzler in seiner Mitteilung an die «Associated Press» vom 2. September v.J. sprach: «Wenn sich einmal die Archive öffnen, so wird die Welt erfahren, wie oft Deutschland England die Freundeshand entgegenstreckte» ... usw. ... ? (Sieh meine Eintragungen vom 7. September v.J.).