Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 17. März.

Revolution in Russland! Der Zar hat abgedankt, die Minister sind verhaftet, die Mitglieder der Ochrana gefangen, die Petersburger Garnison von 30 000 Mann zu den Revolutionären übergetreten. Lieberale und sozialistische Mitglieder der Duma haben die Regierung übernommen.

Noch wissen wir wenig über die Vorgänge, über den Umfang und die Stärke der Revolution, über die Aussichten für die Zukunft. Nur in losen Fetzen dringen die Einzelheiten über die Grenze. In jedem Fall ist es ein gewaltiges Ereignis, ein loderndes Menetekel, ein verheißungsvolles Zukunftsversprechen. Russland, das zaristische Russland, demokratisiert sich unter dem gewaltigen Druck dieses Kriegs. Wenn diese Revolution gelingt, wenn sich die Demokratie im Osten aufrechterhält, dann hat dieses Ereignis höhere Bedeutung als die französische Revolution, dann kann die Rückwirkung auf Deutschland nicht ausbleiben. Die Freunde des Ostens in Preußen verlieren ihren magnetischen Pol.

Unter dem Eindruck dieser gewaltigen Vorgänge hat die Öffentlichkeit einem andern Ereignis wenig Aufmerksamkeit zugewendet: Dem Beschluss des chinesischen Parlaments, mit Deutschland die diplomatischen Beziehungen abzubrechen. Überall Auflehnung gegen Deutschland, überall Verfemung des deutschen Volkes, Abkehr von ihm. Wird das noch immer nicht dem Volk die Augen öffnen. Die vom Machtdünkel durchtränkte Politik seiner Regierung, die dem Geist der Zeit, dem Friedens- und Rechtwillen der andern Völker nicht gerecht wurde, hat es schlecht verstanden, die ihr anvertrauten Interessen der sechszig Millionen zu vertreten! Die Weltauflehnung gegen diese Politik ist auch eine Revolution, die vom deutschen Volk endlich begriffen werden muss.