Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 16. Januar.

Je öfter ich mir die Rede des Generals Hoffman durchlese, umso grauenvoller enthüllt sich mir jene Gesinnung, jene Gewaltgläubigkeit, die Europa in das Unheil gestürzt hat und es darin erhält. Das sind jene Kreise, die nur in bespornten Stiefelabsätzen denken. Schon der Ton des einleitenden Satzes:

«Ich muss zunächst gegen den Ton dieser Vorschläge protestieren. Die russische Delegation spricht mit uns, als ob sie siegreich in unserem Land stände und uns Bedingungen diktieren könnte. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Tatsachen entgegengesetzte sind, — das siegreiche deutsche Heer steht in ihrem Gebiet. »

Das ist nach militärischen Begriffen vornehm und ritterlich, das Argument des Besiegtseins dem Gegner mit überhebender Betonung unter die Nase zu reiben.

Dann der Vorwurf, den der General den Russen macht: «Ihre Regierung ist lediglich begründet auf Macht.» — «Na, und Ihre Regierung?» könnten die Russen fragen.

Die deutsche Militärpartei hat mit der von ihr versuchten, durch General Hoffmann zum Ausdruck gebrachten Auslegung, wonach die Völker der besetzten Gebiete ihrem Wunsch der Lostrennung von Russland bereits «klar und unzweideutig Ausdruck gegeben» haben, das Vertrauen in die deutsche Politik auf das tiefste erschüttert. Eine Methode, die auf solche Weise zu Annexionen führen will, bei der Behauptung, dass damit das Selbstbestimmungsrecht der Völker gewahrt sei, erinnert zu sehr an Rosstäuscherpraktiken. Alle Begriffe von Ehre und Treue werden durch solche Vorgehen geschändet.

Blind treibt diese Militärherrschaft das Volk in den Abgrund.

Die geheimnisvollen Konferenzen in Berlin, bei denen der Kronprinz, Hindenburg, Ludendorff die Hauptrolle spielen, lassen nichts Gutes ahnen. Nun heißt es gar, man will von Kongresspolen ein Stück abzwacken, eine vierte Teilung Polens also vornehmen. Die Oppelner Handelskammer hält das für unumgänglich notwendig. Die Oppelner Handelskammer kann ohne jene polnischen Gebiete nicht mehr schlafen!

Armes Deutschland!

Verseucht und verflucht durch die militärische Krätze!