Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Thun, 3. Juli.

3. Juli! Auch ein historisches Datum! Vor einigen Wochen feierte die deutsche Armee in Belgien den hundertsten Jahrestag der Schlacht von Waterloo, beging damit eine Erinnerung an die Waffenbrüderschaft mit England, die gegen Frankreich gerichtet war. Jetzt steht England mit Frankreich verbündet Deutschland gegenüber. Heute ist der 49. Jahrestag der Schlacht von Königgrätz. Die Gegner von damals sind heute Verbündete. Man wird von einer Erinnerungsfeier abstehen. Für uns mag aber aus diesem Chassez-Croisez der Bündnisse und Gegnerschaften die Gewissheit entstehen, dass die Feindschaft der heutigen Gegner kein Hindernis bilden wird für ein späteres Zusammengehen Aller in einem organisierten Europa.

Der Schweizer Bundesrat erlässt heute eine Verordnung, die mustergiltig sein könnte für ein internationales Abkommen zur Bekämpfung der Förderung des Völkerhasses durch die Presse. Die Verordnung lautet:

«Wer öffentlich in Wort oder Schrift, in Bild oder Darstellung ein fremdes Volk, dessen Staatsoberhaupt oder dessen Regierung in der öffentlichen Meinung herabwürdigt oder dem Hasse und der Missachtung preisgibt; wer eine nichtöffentliche Äusserung dieses Inhalts in beleidigender Absicht öffentlich macht, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Busse bis zu Fr. 5000 bestraft. Die beiden Strafen können verbunden werden. Wer Drucksachen, Bilder oder andre Darstellungen, die Beschimpfungen gegenüber einem fremden Volk, dessen Staatsoberhaupt oder dessen Regierung enthalten, ausstellt, in Verkehr bringt oder feilhält, wird mit Gefängnis bis zu drei Monaten oder mit Geldbusse bis zu 1000 Franken bestraft. Die beiden Strafen können auch hier verbunden werden».

Eine Verpflichtung zum Erlass einer solchen Verordnung könnte in dem künftigen Friedensvertrag mitaufgenommen werden.