Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 25. Januar.

Bewegter und anregender Sonntag. Mittags trafen sich bei mir Dr. W., mein oben genannter Engländer, Professor N. und Dr. X. Bewegte Debatten. W. hält die Fortsetzung des Krieges für Wahnsinn. Er sagte, dass der europäische Friede niemals durch Gewalt entschieden werden könne, sondern nur durch Diskussion. Wie recht hat er. Die Worte Novicows: Aller Fortschritt geht schliesslich nur durch Diskussion von statten. Novicow wird zu sehr vergessen. Schade! Dr. W. mit seinem gebleichten blonden Scheitel und seinen wundervollen blauen Augen, seiner innigen, herzlichen Redeweise (écoutez mon ami, und dabei fasst er einen am Arm) ist ein prachtvoller Mensch, der dem Deutschen gegenüber die Schuld der englischen Regierung betonte. Sein Plan, dass das sich überfallen wähnende Deutschland jetzt, nachdem es den Überfall abgewiesen hat, sich bereit erklären soll, Frieden zu schliessen, wenn ihm Garantien gegen künftige Überfälle geboten werden, hat etwas für sich. Er meint, in sechs Monaten würde der Krieg keine andere Entscheidung zeigen als heute, würde aber unendlich mehr Opfer gezeitigt haben. Das dürfte richtig sein. Ich machte ihm den Einwand, dass man diese Erklärung Deutschlands als Schwäche auslegen dürfte. Dass Deutschland daher niemals damit hervortreten würde. Er bestritt die Möglichkeit dieser Auslegung. Dass Hetzblätter sich so äussern könnten, gab er zu, aber die Tatsachen allein, — so meinte er — sprächen dagegen. Ich meinte, es müsste von irgend einer neutralen Macht eine geschickte Anregung ausgehen, dass Deutschland in der Lage wäre, einfach als Antwort auf eine solche Anregung im Sinne einer derartigen Erklärung zu antworten.

Dann riet ich ihm, seinen Plan dem Fürsten Bülow in Rom vorzulegen und begründete diesen Rat.

Er dachte einen Augenblick nach, zählte sein Geld im Portemonnaie, und verliess mich stracks mit der Absicht, nach Rom zu fahren.

Bin neugierig, ob er es tat.

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