Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 26. Oktober.

Die Drohung, die Graf Czernin am Schluss seiner berühmt gewordenen Budapester Tischrede aussprach, wonach all die schönen, von ihm geäußerten Friedensforderungen ins Nichts zerflieben sollten, wenn der Vorschlag nicht unverzüglich angenommen wird, scheint sich zu verwirklichen. Seit vorgestern ist eine grobe Offensive Österreichs und Deutschlands gegen Italien losgebrochen. Das bedeutet, wenn es gelingt, eine Versteifung und Verlängerung des Kriegs, eine Erschwerung des Friedens. Es ist in diesem Krieg gerade das umgekehrte wie in früheren Kriegen. Die Siege, die früher die Kriegsbeendigung beschleunigt haben, ziehen sie jetzt hinaus. Und noch eine andere Bedeutung dürfte diese in Gemeinschaft mit Deutschland unternommene Offensive gegen Italien haben: die Fesselung Österreich-Ungarns. Die Donaumonarchie war auf dem besten Weg, den Frieden allein und ohne Hemmnisse zu verfolgen. Jetzt wird sie neuerdings an das militaristische Deutschland gebunden, jetzt soll durch ein Vordringen in Italien der erlahmte Kriegselan in Österreich angefacht werden. Anstatt des entschlossenen Friedenswillens wird dort die Hurrastimmung neu entfacht werden. Und Österreich-Ungarn, das durch Deutschlands Hilfe Galizien befreit, Serbien zurückschlug, die Rumänen vertrieb, nunmehr erst auch Italien zurückwies, dieses Österreich, dass also nur durch Deutschland von den Feinden gerettet wurde, wird in dieser zwölften Isonzoschlacht vollends zum Vasallen Deutschlands gemacht. Das wäre eine Niederlage der pazifistischen Politik.