Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 5. April.

Der Berliner Korrespondent der «Neuen Zürcher Zeitung» berichtet, dass sich die öffentliche Meinung wenig mit der Kriegsteilnahme Amerikas befasst. Er fügt hinzu:

«In den letzten Wochen ist von drüben so außerordentlich viel von Amerikas gewaltig geplanten Kriegsvorbereitungen mitgeteilt und so oft versichert worden, Wilson werde zweifellos das größte und schärfste Schwert gegen Deutschland ziehen, dass man hier allmählich ganz allgemein auf dem Standpunkt angelangt ist: Warten wir ab, bis er es gezogen hat; ihn daran hindern können wir ja doch nicht, wenn Wallstreet und die Kriegslieferanten einen Krieg zum Schutz ihrer Profite verlangen!»

Da ist also das mot d’ordre, wie ich es vorausgesehen. Dem deutschen Volk wird nun einmal eingeredet werden, Amerika führt den Krieg «zum Schutz seiner Kriegsprofite». Das geht durch die Zeitungen, wird in die Schulbücher Einlass finden und sich sogar in die Geschichtswerke der Gelehrten eindrängen. Krieg aus Niedertracht also! Wird das deutsche Volk es blind glauben?

Eine Stelle in der Wilson - Botschaft lautet:

«Wir stehen an der Schwelle einer neuen Zeit, in der man verlangen wird, dass die Regierungen der Nationen den nämlichen Grundsätzen des Verhaltens und der Verantwortlichkeit unterworfen seien, wie jeder Angehörige eines zivilisierten Staates sie zu befolgen hat. Wir haben keinen Streit mit dem deutschen Volk. Wir hegen für dieses nur ein Gefühl, das Gefühl der Freundschaft und der Sympathie. Als die deutsche Regierung in den Krieg eintrat, handelte sie nicht auf Anstiften des deutschen Volks. Ohne, dass das deutsche Volk seine Zustimmung gegeben hätte, ja, ohne das deutsche Volk vorher benachrichtigt zu haben, ging die deutsche Regierung in den Krieg. Dieser Krieg wurde beschlossen, wie in den finstern alten Zeiten, als noch keine Regierung ihr Volk befragte, und die Kriege angefangen und geführt wurden im ausschliesslichen Interesse der Dynastie oder kleiner Gruppen machthungriger Leute, die gewohnt waren, sich ihrer Mitbürger zu bedienen, wie man sich eines Werkzeugs oder einer Schachfigur bedient.»