Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Locarno, 1. April.

Der Wiener Korrespondent der «Frankfurter Zeitung» meldet seinem Blatt von dem Jubelsturm in der Wiener Presse über das deutsche Fortschreiten im Westen.

«Nur die ,Arbeiter-Zeitung'», fügt er hinzu, «verteidigt noch den verlorenen Posten des billigen Verständigungsfriedens mit einer Warnung an Deutschland, nicht auf die Stimmen derer zu hören, die einen Gewaltfrieden fordern, weil England niemals zu einem Gewaltfrieden gezwungen werden kann und nur den Krieg verlängern würde.»

Verlorner Posten! So wird also jetzt das pazifistische Friedensgerede unsrer Diplomatie eingeschätzt. So werden also diese Brusttöne der Überzeugung von Bethmanns in seiner Rede vom November 1916, Michaelis’ in der Papstantwort, Czernins vom 2. Oktober 1917 und sein pazifistisches Geplänkel mit Wilson aus der letzen Zeit, Hertlings Februarrede und andre schöne Reden, die uns ob ihrer aufdringlichen Bekennung zum Pazifismus ohnehin sehr verdächtig Vorkommen, beurteilt? Verständigungsfriede ist heute Eselei, nachdem er gestern noch staatlich anerkannte «Forderung des Jahrhunderts» gewesen. Das hat die Artillerie gemacht, die nach dem Telegramm Kaiser Wilhelms an Krupp in ihrer Gestalt als das Paris überraschende Riesengeschütz eine «Leistung deutschen Wissens und deutscher Arbeit» ist, und nach dem Abschiedsbefehl des Erzherzogs Leopold Salvator, bisherigen Inspizienten der Artillerie des österreichischungarischen Heeres, «eine ungeheure Größe und Bedeutung erreicht hat». Die Artillerie über alles! Der Friedens- und Verständigungsgedanke in der Welt ist aber ein « verlorner Posten».

Ich möchte, wenn ich die Macht dazu hätte, Viktoria schieben lassen, dass es so gekommen ist. Die Bewegung wird wieder rein, und der Sieg der Kanonen ermöglicht uns die Echtheitsprobe über die unendliche Masse der Konjunkturalpazifisten, die sich bereits geschäftig um die Gunst einer Obrigkeit zu scharen begannen, die im Zeichen des Pazifismus stand. Gott sei Dank! Dieses Gesindel sind wir los, und nur jene, die auf dem jetzt als verloren angesehenen Posten stehen bleiben, werden Anspruch erheben können, zu den Echten gezählt zu werden. Wir Älteren sind es ja gewöhnt, auf angeblich «verlornen Posten» auszuharren. Wir werden weiter ausharren, wir werden fallen, aber den Sieg werden wir erstreiten; denn die Kanone ist ein unsicheres Mittel, sie frisst den Zweck und, siegreich für den Augenblick, vernichtet sie den Sieger.

Wenig Nachrichten über den Stand der Dinge im Westen. Die Zeitungen kommen spät über den Gotthard.

Heute gießt es in Strömen. Dieser Regen, wenn er lange genug andauert, kann die Menschheit retten.