Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Thun, 27. Juli.

Gestern ist die amerikanische Note veröffentlicht worden. Sie ist unfreundlich, ablehnend, drohend. Entrüstung in der Berliner Presse auch bei jenen, die Gewicht auf ein gutes Verhältnis zu Amerika legen. Sie sehen alle nur den Eingriff, den von Deutschland nun einmal beschlossenen Unterseebootskrieg unmöglich machen zu wollen. Sie sehen die Hauptsache nicht; dass es eine Diskussion ist, eine Erörterung, eine psychische Methode des Kampfes und nicht das in Europa beliebte «Hände weg oder ich schiesse!» — So viel Prestige gibt es gar nicht in der Welt, als eine europäische Grossmacht in ähnlichem Fall als verletzt ansehen würde, um jede Erörterung darüber auszuschliessen. Die Situation ist verdriesslich. Zu einem Krieg dürfte sie kaum führen. Aber es genügt ja die bereits bestehende Spannung zwischen den beiden Staaten, um das Verhältnis unerträglich zu gestalten.

Der Eindruck der amerikanischen Note wird übrigens abgeschwächt durch die Spannung, die überall besteht im Hinblick auf die im Osten sich vollziehenden Ereignisse. Wird dort der grosse Coup gelingen und wird er — falls er gelingt — zum Frieden führen?

Mein Artikel «Der Makel der Friedensbereitschaft» in der «Neuen Zürcher Zeitung» ging durch die gesamte Presse. Namentlich jene Stelle, worin ich mitteilte, dass Sir Edward Grey einem amerikanischen Pazifisten gegenüber sich unter gewissen Bedingungen bereit erklärt hat, die Freiheit der Meere zu konzedieren. Man scheint dieser Mitteilung in Deutschland grosses Interesse beizulegen.

Von Erzherzog Ludwig Salvator Brief. Diesmal aus Brandeis an der Elbe. «Es tut einem wohl, in diesen traurigen Zeiten zu erfahren, dass Gleichdenkende bestehen, man fühlt sich weniger vereinsamt».

Von G. M. (Paris) drei Photographie-Karten, worauf er in Felduniform im Schützengraben steht, eine mit seinem Sohne, ebenfalls in Felduniform, Zigarettenfeuer tauschend, die dritte: Rudé, Départ de 1792 vom Arc de Triomphe. Unzufrieden mit mir. Ich sähe in diesem Krieg nur «einen» Krieg, der lediglich schrecklicher wäre als die andern sind, nicht «den» Krieg, den Kampf zweier Weltanschauungen, der unsern, der pazifistischen, und der militärischen.

Oh ja! Ich sehe es. Sehe es zu meinem Schmerz. Gebe dieser Ansicht auch Ausdruck, aber immer nur mit der durch die Situation gebotenen Reserve. Es ist auch gar nicht nötig, dass man das gleich merkt. Wenn ich es nur selbst empfinde. Trotzdem kann ich die Begeisterung nicht aufbringen, die die französischen Pazifisten für diesen Krieg zu haben scheinen. Es ist immerhin ein Krieg, selbst wenn es der Krieg des Pazifismus sein sollte, also die Methode des Wahnsinns, die ihren Charakter nicht ändert durch den schönsten Zweck, dem sie dienstbar gemacht wird.