Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Spiez, 11. September.

Neue Enthüllungen über die nach dem Muster der Kinodramatik agierende deutsche Diplomatie. Nach dem Carranza-Telegramm, dem Grimm-Hoffman-Verkehr, der norwegischen Dynamitaffaire nunmehr die seitens der Vereinigten Staaten erfolgte Auffrischung von Telegrammen des deutschen Gesandten in Buenos Ayres, die dieser durch Vermittlung des schwedischen Ministeriums des Äußern expedierte. Das kompromittierende liegt in dem Rat, den der deutsche Gesandte nach Berlin übermittelt:

«Bezüglich der argentinischen Dampfer rate ich, dass man sie entweder zwingt, ihre Häfen aufzusuchen oder sie spurlos versenkt oder aber, dass man sie passieren lässt.«

Sie «spurlos versenkt», so dass es heißt, sie wären auf eine Mine gestoßen.

Diese Enthüllungen sind vom größten Wert. Sie zeigen, mit welchen Mitteln diese Diplomatie arbeitet, die sich keine Kontrolle gefallen lassen will und sich das Recht anmaßt, das Schicksal der Völker zu lenken. Wir hätten uns schon längst mit Detektivbureaus in Verbindung setzen sollen, um diese Machenschaften zu entlarven. Nun wird es wohl für immer Schluss werden mit dieser Sherlock-Holmes-Gesellschaft.

Die Schuld an diesen neu enthüllten Dingen fällt noch auf das Konto Zimmermann, des Mexikaners. Kühlmann hat damit noch nichts zu tun.

Ein Wolff-Dementi vom 9. September fällt mir auf. Es sei nicht wahr, dass der neue Generalgouverneur von Belgien, Freiherr von Falkenhausen, ein Schrekkensregiment führe. Pure Verleumdung! Seit ersten Mai 1917 sind nur 19 Belgier (wegen Spionage) hingerichtet worden! Nur neunzehn! Und «alle Personen, an denen die Todesstrafe vollstreckt wurde, hatten das 20. Lebensjahr überschritten». Kann man humaner sein, kann man korrekter sein? Jede Woche nur eine, nur eine einzige Hinrichtung, und nur bei «Greisen» über zwanzig Jahren (denen das anscheinend nicht schwer fällt, hingerichtet zu werden. Oder soll das nur bedeuten, das man die gesetzmäßig vorgeschriebene «Schonzeit» nicht umgangen hat?) Im ganzen wurden in diesen 19 Wochen 84 Belgier der Spionage überführt und verurteilt. Darunter 19 Todesurteile. Das ist doch kein Schreckensregiment, wenn man diese Männer, die sich für ihr bedrücktes Vaterland opferten für ewig stumm macht. Was geht uns das Motiv ihrer Handlungen an? — Auf so etwas lässt sich militärische Geistesbeschaffenheit nicht ein. Schill und Andreas Hofer sind Helden, die dem Schreckensregiment Napoleons zum Opfer fielen. Die Neunzehn aus Belgien sind schamlose Verbrecher, die zu verurteilen für uns «ein dringendes Gebot der Selbsterhaltung» ist.

Armes deutsches Volk! Wie wirst du die Rächer alle ertragen, die aus den Knochen erstehen werden, die deine Militärs so rechtschaffen und korrekt zermalmt haben!