Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

13. Oktober 1914.

Przemysl entsetzt, Vormarsch in Galizien. Die Russen ziehen sich nach dem San zurück. Die Deutschen in der Nähe Warschaus. Gute Stimmung in Wien.

Eine Amerikanerin, die aus London kam, brachte mir vorgestern eine Mitteilung von Lafontaine. Will Manifest namens des Bureaus versenden. Dieses, nach mittlerweile aus Bern eingelangtem Fragebogen, ist politisch unanstössig doch in seinen Ansichten gefährlich utopisch. Jetzt fehlen uns Politiker. Der Krieg muss die europäische Anarchie beenden, aber er kann unmöglich die fertige Organisation einsetzen. Er kann nur die Grundbedingungen für eine solche bringen. Das muss wohl unterschieden werden, deshalb müssten alle utopischen Pläne beiseite gestossen werden. Wir Pazifisten können berufen sein, bei der künftigen Weltordnung eine grosse Rolle zu spielen, deshalb müssen wir uns hüten, den Boden der Tatsachen zu verlieren.

Butler schreibt unterm 23. September aus New-York, man wolle in Amerika keine Vermittlungsaktion mehr machen, der Kampf muss ausgekämpft werden bis zur völligen Vernichtung des Militarismus. Das ist bedenklich. Denn der Militarismus ist in der Zeit eines Krieges eng mit dem Volke verbunden. Man vernichtet mit ihm das Volk. So kann man nur in einem Lande denken, wo der Begriff der allgemeinen Wehrpflicht fehlt.