Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 15. Februar.

Graf Czernin hat sich gestern bei seiner Rückkehr nach Wien als der Friedensbringer feiern lassen. Eine Abordnung des Magistrats mit dem Bürgermeister an der Spitze empfing ihn, Reden wurden gehalten und Hochs auf den «Volksdiplomaten und Friedensbringer» ausgebracht. Vor dem Ministerium empfingen ihn tausende Mitglieder der Hausfrauenorganisation Österreichs, im Innern des Ministeriums wurde er von der Beamtenschaft begrüßt. Zweimal wies der Minister in seinen Ansprachen auf die Armee hin, die den Frieden gebracht habe, etwa so, wie ein mit Applaus begrüßter Schauspieler den Regisseur aus den Kulissen zieht. Die Armee, die den Frieden gebracht hat! — Nach all diesem Jubel gelang es in Österreich wirklich, das Volk in den Glauben zu wiegen, dass das Kriegsende beginne, die Not nun aufhören werde. In dem Erregungszustande, in dem sich die Menschen dort befinden, ist man leicht geneigt zum Jubel. Die Ernüchterung wird

nicht lange auf sich warten lassen. Friede, ohne dass ein Mann aus dem Militärdienst entlassen wird, ohne dass die Gefangenen heimkehren, Handel und Wandel auflebten, die Teuerung nachlässt und die Menschenwürdigkeit des Daseins wieder anhebt. Friede mit der Ukraine! Was ist das? Ein Bekannter von mir meinte gestern, dass man ebensogut einen Frieden mit der Direktion des Zoologischen Gartens hätte schließen können.