Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 26. Januar.

Unter den deutschen Pressestimmen zur Wilson-Botschaft fällt mir Georg Bernhards Aufsatz in der «Vossischen Zeitung» auf.

«Wir müssen es entschieden zurückweisen,» heisst es da, «den amerikanischen Präsidenten als Gestalter der europäischen Karte anzurkennen und uns etwa gar vorschreiben zu lassen, dass wir diesen Krieg ohne Sieg zu beenden haben. Wir wollen, obwohl wir bereits Sieger sind, unsern Feinden einen verständigen Frieden bieten. Wir waren und sind unter Umständen noch bereit, mit ihm zu verhandeln. Aber nur mit ihm. Und gerade weil wir auf dem Boden des Präsidenten Monroe stehen: ,Amerika den Amerikanern!’ halten wir die Kehrseite der Monroedoktrin für ebenso selbstverständlich ,Europa den Europäern!’»

Merkwürdige Verwirrung. Die Monroedoktrin soll die Amerikaner schützen vor kriegerischen Eingriffen europäischer Staaten auf ihrem Erdteil. Gibt das das Recht, Europa vor einer Einmischung zu schützen, die dem blutenden Erdteil den Frieden bringen soll?

Georg Bernhard’s Schluss erinnert etwas an eine Anekdote, die die «Fliegenden Blätter» vor vielen Jahren veröffentlichten. Eine Dorfgemeinde, die sich eine Feuerspritze angeschafft hatte, wartete auf den Augenblick, wo sie in die Lage käme, die neue Spritze auch einmal zu verwenden. Endlich, nach Jahren, brennt es im Dorf. Die Feuerspritze tritt in Funktion. Hilfsbereit eilen auch die Löschzüge der Nachbargemeinden herbei. Die wurden schön empfangen: Das geht euch nichts an, das ist unser Feuer! — So Herr Bernhard. Was geht die Schlichtung des europäischen Brandes Wilson an? Das ist unser Feuer!