Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Spiez, 15. September.

Die Vertreter des demokratischen Geistes in Deutschland haben nicht die nötige Knochenstärke. Sonst wären sie über die Wilsonsche Forderung nach einer Demokratisierung Deutschlands nicht so in Verlegenheit geraten. Dadurch, daß die Reaktionäre einstimmig aufschrien «Aha! Ihr wollt das Gleiche, das unser Feind will,» wurden sie aus dem Geleise geworfen. Es ist heute in Deutschland, mit seinen 25 Feinden schwer etwas zu wollen, was nicht gerade auch ein «Feind» will. Und warum fürchten die deutschen Demokraten die windigen Argumente ihrer Gegner derart, dass sie die Anciennität ihrer Forderung gegen den Wunsch Wilsons in den Vordergrund zu stellen vergessen? Sind denn diese Forderungen erst während des Kriegs entstanden? Wenn mir einer mit dem Vorwurf käme, ich stünde völlig auf den Boden Wilsons, so würde ich ihm entgegnen: «Sie irren sich, Bester, Wilson steht ganz auf meinem Boden.» Ich habe jene Forderungen schon aufgestellt als der gegenwärtige Präsident der Vereinigten Staaten noch in der Zeiten Hintergrunde schlummerte. Ich freue mich heute des mächtigen Gesinnungsgenossen. So könnten die deutschen Demokraten auch reden, die schon 1848 das gefordert haben, was die Welt heute im Interesse des Gesamtwohls der Menschheit, Deutschland inbegriffen, durchgesetzt sehen will.