Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

30. Januar (Bern) 1915.

Die Franzosen behaupten, dass die Deutschen bei den Kämpfen von La Bassée und Craonne in den Tagen vom 25. bis zum 27. Januar nach den auf dem Schlachtfelde gefundenen Leichen über 20,000 Mann verloren haben sollen. Wenn nur die Hälfte dieser Zahl zutrifft, so ist dies für den halben Kilometer eroberter Schützengräben wahrlich genug.

Bei der Paroleausgabe an Kaisers Geburtstag vor dem Brüssler Schloss lautete das Motto des Tages «Durchhalten und Festhalten». Festhalten — das ist die gefährliche Idee des gegenwärtigen Kriegs. Wie ist sie in Übereinstimmung zu bringen mit dem preussischen Wahlspruch «Suum cuique»?

Dieses «Festhalten» (an dem Eroberten natürlich) scheint in den verantwortlichen Kreisen des Reichs nicht so aufgefasst zu werden, wie bei den Bierbankpolitikern in der Presse und in den Parteiversammlungen. Da schildert, gerade zurecht, Ganghofer seinen Besuch im Hauptquartier und an der kaiserlichen Tafel. Über die Unterhaltung dabei berichtet er Folgendes: «Das ist eine wesentlich andre Art, vom Krieg zu sprechen, als wir sie daheim bei unsrem Bierbank- und Teetischklatsch zu hören bekommen. Hier wird nicht die Welt geteilt, hier werden nicht Länder genommen und Reiche verschenkt, hier gründet man nicht «Pufferstaaten» und korrigiert nicht die Landkarte von Europa mit einem anspruchsvollen Bleistift». Diese Mitteilung hat etwas Wohltuendes, und sie erscheint mir bedeutungsvoll. Die Weltreich-Philosophen und Weltmacht-Apostel erblickt man dadurch in ihrer vollen Lächerlichkeit.