Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 18. Februar.

Der Friedenstraum von Brest-Litowsk ist ausgeträumt. Heute mittag läuft der Waffenstillstand ab. Was man im deutschen Hauptquartier beschlossen hat, lässt sich deutlich erraten, wenn man die auffallend lange Reihe der heutigen Wolff-Depeschen liest, die uns Greuel- und Schandtaten der Maximalistcn verkünden. Genau so wie uns in den Sommertagen von 1914 das Wiener Korrespondenzbureau durch Meldung von serbischen Schauermähren den Einmarsch in Serbien mundgerecht machte. Heute haben wir nun schon einen Einblick in die militaristische Technik und wissen, was es zu bedeuten hat, wenn die offiziösen Telegrafenagenturen sich über Vorgänge in andern Ländern mit Nachdruck zu entrüsten beginnen und Abscheu vor diesen zu erwecken sich bemühen. Danach ist also ein weiterer deutscher Vormarsch zu erwarten. Die Deutschen werden nach Großrussland, die Österreicher in die Ukraine marschieren. In der Ukraine wird der Staat erst durch Krieg errichtet werden müssen, mit dem man eben den Frieden unterzeichnet hat. In Berlin wird der große Moment jenes Friedensschlusses jetzt im Film gezeigt. Das «Film-Amt» hat ihn geladenen Gästen vorgeführt. Im «Berliner Tageblatt» (Abd. Ausg. vom 15. Februar) wird darüber berichtet:

«Man wird Zeuge des historisch denkwürdigen Aktes. Kühlmann, Graf Czemin, Radoslawow, die Vertreter der Ukraine und andere setzen ihre Namensunterschrift unter den in fünf Exemplaren vorhandenen Vertrag und begießen dann die erfreuliche Tatsache in bester Laune mit Sekt. »

Man wird die Tatsache nach dem Sekt noch mit etwas Blut «begießen» müssen.