Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 24. Januar.

Die letzte Dezembernummer der «The Nation» (22. Dez. 1917) kommt mir zur Hand. Finde folgende Notiz darin: «Die britischen Truppen in Bethlehem senden am Christabend ihren amerikanischen Kollegen Grüße und drücken die Hoffnung aus, dass es ihrem gemeinsamen Werk gelingen möge, das Recht der Gewalt zu einer Gewalt des Rechts zu wandeln, auf dass fernerhin Friede und Wohlwollen auf Erden herrschen mögen. General Allenby. »

Dieser militärische Weihnachtsgruß an die Verbündeten lautet doch etwas anders als die bei uns üblichen militärischen Begrüßungen.

An einer anderen Stelle der gleichen Nummer der «Nation» liest man:

«Die beste Weihnachtstat ist die Botschaft des Generals Allenby aus Bethlehem; die schlechteste unser Bombardement von Mannheim am Christabend.»


Interessante Verhandlungen im preußischen Abgeordnetenhaus, aus denen ersichtlich ist, dass dort selbst fortgeschrittene Elemente von den Ideen der zwischenstaatlichen Organisation keine Ahnung haben. Die Polen forderten die internationale Schiedsgerichtsbarkeit zur Regelung ihrer nationalen Beschwerden. Der Minister des Innerns, Drews, wies diese Forderung mit der üblichen Entrüstung zurück, die man bei dem Gedanken einer Einmischung in sogenannte «innere Angelegenheiten» eines Staates anzuschlagen pflegt. Wenn man sich nur über das Wesen der Schiedsgerichtsbarkeit einmal klar sein wollte. Dieses angebliche Allheilmittel ist so ziemlich das untauglichste Mittel für die neuzeitlichen Schmerzen der Völker. Zunächst brauchen wir eine Staatengesellschaft. Dann hören mit einem Schlag alle die von einem veralteten Souveränitätsbegriff überschatteten Streitfragen auf, «innere Angelegenheiten» zu sein. Zu ihrer Lösung wird es dann keines «internationalen» Schiedsgerichts bedürfen, sondern des von der Staatengesellschaft eingesetzten obersten Gerichtshofs, der nicht, wie der Schiedsrichter, nach eigenem Ermessen Ausgleiche herbeiführen, sondern nach einem von der Staatengemeinschaft gesetzten Recht, Recht sprechen wird.