Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 6. Juli.

Prof. Erich Marcks, der Bismarck-Biograph, Mitglied der philosophischen Fakultät erste Sektion der Münchener Universität, veröffentlicht in den Münchener Neuesten Nachrichten eine, auch in zahlreiche andere Blätter übergegangene Erklärung zum «Fall Foerster», worin er besonders Gewicht darauf legt, dass Förster seinen gegen Bismarck gerichteten Aufsatz «jenseits der deutschen Grenzen, in Zürich, in der unserem Staate feindlichen ,Friedens-Warte' ... erscheinen liess».

Also «deutschfeindlich»! Schnell fertig ist der Professor mit seinem Wort. Was nicht in der Richtung seiner eigenen politischen Auffassung liegt, wird nicht etwa als seiner eigenen Anschauung widersprechend bezeichnet, wie es Vernunft und Anstand gebieten, sondern als dem Staate feindlich. Das ist dann keine Kritik mehr sondern eine Denunziation. Wenn Professor Marcks gesagt hätte, dass in der «Friedens-Warte» Ideen vertreten werden, die seinen Anschauungen vom Staat feindlich gesinnt sind, so hätte er recht gehabt. Er vergisst aber, dass seine Anschauungen vom Staat nicht von allen Deutschen geteilt werden, dass eine übergrosse Mehrheit des deutschen Volkes sie ablehnen, und somit ist es eine Irreführung, wenn er von der Feindschaft der «Friedens-Warte» gegen den Staat spricht, wo es sich bloss um eine Auffassung vom Staat handelt. Diese Irreführung ist umso bedauerlicher, als es dem Münchner Professor bekannt sein muss, dass es den Gegnern seiner Anschauung unmöglich gemacht wird, ihre Ansicht zur Geltung zu bringen, dass es mir völlig unmöglich ist, den ungeheuren Vorwurf der Deutschfeindlichkeit der «Friedens-Warte» in Deutschland öffentlich zurückzuweisen.

Sind die Zeiten des seligen Schmalz wiedergekehrt, der die damals als vaterlandslos geltenden Gesellen öffentlich und ungestraft brandmarken konnte, die für eine Einigung Deutschlands eintraten, so werden hoffentlich die Zeiten wiederkommen, die den Schmälzens von heute Gerechtigkeit wiederfahren lassen werden. Die Zeiten werden kommen — hoffentlich bald — wo man Professor Erich Marcks zur Rechenschaft ziehen wird darüber, dass er eine Zeitschrift der Staatsfeindlichkeit zeihen konnte, die siebzehn Jahre lang vor dem Weltkrieg ausschliesslich für die Vermeidung dieses Unglücks eintrat, und die während des Weltkriegs ihre ganze Kraft darauf konzentrierte, die Grundlagen zu errichten, die eine Wiederholung dieses Unglücks verhindern sollen. Man wird eines Tags die Frage entscheiden, wo die Feinde unseres Staates standen vor und während jener fürchterlichen Krise, der fürchterlichsten, die die Menschheit je heimgesucht hat.

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